Digitale Kanäle: Unter Lieblingsfeinden
Deutschlands Zeitungsverleger ziehen gegen die digitale Strategie der öffentlich-rechtlichen Sender zu Felde.
Bei Deutschlands Zeitungen wird wieder gutes Geld verdient. Teilweise jedenfalls. Im dritten Jahr in Folge sind die Umsätze der Branche trotz weiter sinkender Auflagen gestiegen. Auch die ersten Monate des Jahres 2007 sehen viel versprechend aus. Gut 9 Milliarden Euro wurden nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) 2006 umgesetzt.
Das sind rund 2 Milliarden mehr, als die öffentlich-rechtlichen Sender aktuell jährlich an Gebühren kassieren - und weil diesen Sommer die nächste Gebührendebatte ansteht, haben sich die Verleger ARD, ZDF und deren Strategie fürs Digital-Zeitalter zum neuen Lieblingsfeind auserkoren.
Mit einem Vier-Punkte-Katalog zog BDZV-Geschäftsführer Dietmar Wolff gestern bei Vorstellung der Jahresbilanz in Berlin zu Felde: Das "in Teilen außer Kontrolle geratene öffentlich-rechtliche System" müsse wieder eingefangen werden, so Wolff. Für viele Internet-Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen sieht der BDZV-Chef "keine ausreichende Auftragsdefinition", ebenso wenig für die künftige Ausrichtung der Digitalkanäle von ARD und ZDF.
Die Verleger werfen den Anstalten zudem vor, ungeachtet der Auflagen der EU zu handeln. Diese sollen 2008 in einen Rundfunkstaatsvertrag einfließen - und werden nach Sicht des BDZV so lange munter unterlaufen: "Es muss Schluss sein mit dem Faktenschaffen im toten Winkel", forderte Wolff. Vor allem der WDR ist dem BDZV ein Dorn im Auge. Denn der betreibe mit dem Internet-Angebot zu seinen "Lokalzeit"-Formaten in NRW klare Konkurrenz zu den dort ansässigen Zeitungen. Dass der EU-Kompromiss lediglich eine "flächendeckende Versorgung" mit lokalen Angeboten durch die ARD ausschließt, geht den Verlegern logischerweise nicht weit genug - sie wollen die "systematische Lokalberichterstattung" ganz als ihr Refugium gesichert sehen. Auch mit dem Programm wenig zu tun habende Online-Angebote wie die Dating-Website "Liebesalarm" des WDR-Radiosenders 1live, Videospiele im Sportangebot der ZDF-Homepage oder Versicherungstabellen beim MDR soll es nach Verlegerwillen künftig nicht mehr geben. Denn mit ebensolchen Diensten verdienen die Zeitungen online Geld - weniger mit ihrem redaktionellen Online-Angebot: "Paid Content können Sie vergessen", sagte BDZV-Multimediachef Hans-Joachim Fuhrmann. Ein Gespräch mit den IntendantInnen von ARD und ZDF soll "in Kürze" erfolgen.
Warum sich die Verleger erst jetzt rühren, versteht man, wenn man sich die jüngsten Aktivitäten der Privatsenderlobby anschaut. Auch hier wird derzeit scharf auf die Digital-Strategie von ARD und ZDF geschossen. Die Öffentlich-Rechtlichen kontern derweil, dass schließlich auch viele Verlage auf ihren Websites TV-ähnliche Angebote hätten. "Die ARD bedauert, dass der BDZV sich auf diesen Konfrontationskurs begibt", sagte ARD-Sprecher Peter Meyer gestern der taz. "Wir streben mit dem ZDF zusammen nach wie vor ein baldiges Spitzengespräch mit dem BDZV an, um gegenseitige Interessen abzuklären. Aber noch mal zur Klarstellung: Nicht die ARD will Presse machen, sondern die Presse will Fernsehen machen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!