Digitale Flüchtlingshilfe: Vokabeln in der Hosentasche
Drei Smartphone-Apps sollen zukünftig den Flüchtlingen im Norden bei der Orientierung und beim Lernen der deutschen Sprache helfen.

HAMBURG taz | Das Smartphone ist für die Geflüchteten in Deutschland besonders wichtig: Es hilft bei der Orientierung in der fremden Umgebung und der Organisation des Alltags. Außerdem ist es oft die einzige Möglichkeit in Kontakt mit Angehörigen und Freunden in der Heimat zu bleiben. Dieses digitale Potenzial wollen gleich drei App-Projekte aus dem Norden nutzen und so die ersten Schritte in Deutschland erleichtern und beim Lernen der Sprache helfen.
Anfang Dezember stellte die Diakonie in Niedersachsen ihre Sprachlern-App „German für refugees“ vor. Sie umfasst 800 deutsche Alltagsbegriffe, übersetzt in 50 Sprachen. Dieses digitale Wörterbuch soll Flüchtlingen die Chance geben, selbstständig Deutsch zu lernen.
Lange Wartezeiten für den Sprachkurs
Auf einen richtigen Sprachkurs müssen die Neuankömmlinge dagegen oft lange warten. Vielerorts werden Kurse nur von Ehrenamtlichen angeboten. „Die Sprache ist der Zugang zu allem und der erste Schritt zur Integration“, sagt Diakonie-Sprecher Christoph Künkel. Unterstützt wird die Initiative vom Goethe-Verlag, der sein Deutschlernprogramm kostenlos zu Verfügung stellt.
Noch im Januar soll auch die browserbasierte App „Start up!“ herauskommen. Kernstück der App ist eine interaktive Karte, auf der die Flüchtlinge alle wichtigen Adressen von Supermärkten, Ärzten oder Anlaufstellen wie Behörden in der Nähe ihrer Unterkunft finden. Zu allen Orten bietet die App passende deutsche Vokabeln und einfache Fragen. Außerdem gibt es kurze Erklärungen zu alltäglichen Dingen – auf Arabisch und Englisch.
Behörden und Helfer sollen entlastet werden
Wie funktioniert der öffentliche Nahverkehr in der Kommune, welche Unterlagen brauche ich für den Asylantrag? Woher bekomme ich ein Fahrrad oder wie wird der Müll getrennt? Diese Informationen sollen nicht nur den Flüchtlingen helfen, sich in der neuen Heimat schneller zurechtzufinden, sondern auch Behörden und Ehrenamtliche entlasten. Der nötige Input dafür kommt von den Kommunen selbst. Über eine Schnittstelle können sie die interaktive Karte laufend aktualisieren und neue Texte anlegen.
„Das geht schneller und ist günstiger als der Druck von immer neuen Broschüren. Außerdem sind die Informationen in digitaler Form für die Flüchtlinge leichter zugänglich“, erklärt Lydia Lütgering. Zusammen mit Camila Campos und Sarah Langlotz entwickelte sie das Konzept als studentisches Semesterprojekt an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim. Der Zuspruch von Seiten der Kommunen war so groß, dass sich die drei Design-Studentinnen zur Umsetzung der App entschieden. Für ihre Idee bekamen sie bereits zwei regionale Design- und Gründerpreise.
Noch ein bisschen weiter von der Umsetzung entfernt, ist die Refugee-App der Flüchtlingshilfe in Bendestorf bei Hamburg. Der Verein will eine App entwickeln, die Flüchtlinge, Bürger und Hilfsorganisationen schneller zusammenbringt. „Auf einem digitalen Marktplatz lassen sich beispielsweise Sach- und Zeitspenden direkt an Flüchtlinge in der Region spenden“, erklärt der Initiator Axel Schwiersch. Über ein Profil können sich Flüchtlinge direkt auf Stellenangebote für den Bundesfreiwilligendienst, Praktika- und Hospitantenstellen bewerben.
Spenden für die App gebraucht
Außerdem können Koordinatoren und Helfer mit Hilfe der App lokale Veranstaltungen organisieren und Bürger aus ihrer Region ansprechen, die sich engagieren möchten. Geplant ist die App in 14 Sprachen und für alle gängigen Betriebssysteme. Einzige Hürde ist derzeit die Finanzierung. Die Entwicklung der App kostet rund 250.000 Euro. Die Summe soll durch Spenden aufgebracht werden.
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