Digital und in 3D: Jenseits von Hollywood

Mit Einführung der 3-D-Filme hat sich der Druck auf Kinobetreiber erhöht, auf digital umzustellen. Der Technologiewandel öffnet aber auch neue Nischen fürs Indie-Kino. Ein Überblick

Konzert der HipHop-Gruppe "Die Fantastischen Vier", in 3D übertragen. Bild: dpa

Jetzt ändert sich etwas Grundlegendes an der Technik der Filmvorführung. Und das zum ersten Mal seit 1895! Seit damals war ein 35-Millimeter-Projektor absoluter Standard in praktisch allen Kinos der Welt. "Die Dinger halten ewig", sagt Martin Wiesäcke vom fsk-Kino in Berlin-Kreuzberg.

Doch die Projektoren entsprechen nicht mehr dem, was mittlerweile von der Filmindustrie verlangt wird - die Postproduktion findet digital statt, und 3-D-Filme und Kassenschlager wie "Avatar" machen es nötig, zu modernisieren. Kinos in aller Welt müssen umrüsten auf digitale Filmvorführung. Und das wird teuer. 4.700 Leinwände gibt es in Deutschland; nur eine einzige mit digitaler Technik, einem Server und einem Projektor auszustatten kostet rund 72.000 Euro, schätzt die Filmförderungsanstalt (FFA). 1.200 Leinwände hängen in kleinen und mittleren Programmkinos, 2.500 in den Multiplexen.

Heimat für Independents

Seit 22 Jahren betreibt Wiesäcke zusammen mit Kollegen das fsk-Kino. In zwei Kinosälen zeigt er Filme, die nicht in den großen Multiplexen zu sehen sind und nicht aus Hollywood stammen. Die Aufgabe der Programmkinos sieht Wiesäcke darin, wichtige Filme zu zeigen, die sonst nicht laufen. "Viele erscheinen hier nämlich gar nicht erst, wie zum Beispiel die US-Independent-Filme." Die digitale Herausforderung, die da jetzt auf ihn zukommt, macht ihn zurzeit noch etwas ratlos. "Zu verstehen, was da kommt, ist schon nicht so ganz einfach", sagt Wiesäcke.

Bereits seit 2002 fordern die großen Filmfirmen die digitale Umrüstung der Kinos. Disney, Fox und die anderen gründeten dafür die Digital Cinema Initiative (DCI) und setzten damit neue technische Standards. Sie verlangen eine Mindestgröße des digitalen Bilds von 2.084 mal 1.080 Pixeln; die dazugehörigen Projektoren sollen dem sogenannten 2K-Standard entsprechen. Das sind Projektoren, die 72.000 Euro kosten.

Ob wirklich alle Kinos diesen hohen Standard brauchen, ist umstritten. "Insbesondere bei den Arthouse-Kinos wird es nicht immer notwendig sein, diesen teuren Standard einzuführen", sagt Britta Lengowski von der Filmförderung NRW. Es gebe auch günstigere Projektoren, die in kleinen Kinos die Qualität sichern könnten. Ob kostengünstigere Projektoren eine Alternative zum Hollywood-Modell sind, diskutieren die Vertreter derzeit noch.

Wiesäcke weiß, dass er seine zwei Vorführräume umbauen muss, aber er fühlt sich schlecht informiert von den Verbänden der Kinobetreiber und Filmverleiher. Wann er umrüsten muss und mit wie viel Geld für die Umrüstung er rechnen kann, weiß er nicht. "Eine Technik wie den 35-Millimeter-Film, die sich so lange bewährt hat, abzuschaffen finde ich fragwürdig", sagt er.

Das sehen die Filmverleiher anders. "Es macht keinen Sinn, an analoger Technik festzuhalten, auf absehbare Zeit werden alle Realverfilmungen ebenfalls digital erstellt werden", sagt etwa Johannes Klingsporn, Leiter des Verbands der Filmverleiher. Die Postproduktion und Speicherung der Filme sei bereits jetzt häufig digitalisiert und der Aufwand, die digitalen Filme auf analoge Medien zurückzukopieren, damit sie überhaupt gezeigt werden können, sei nicht zu rechtfertigen.

Billige Kopien

Digitale Filme zu kopieren ist einfacher und billiger. Ihr Transport beziehungsweise das Verschicken der Dateien ebenfalls - denn davon profitieren die Verleiher ungemein. Klingsporn schätzt, dass die Verleiher mittelfristig bis zu 20 Millionen Euro im Jahr sparen werden.

Weil die Verleiher also auf absehbare Zeit die Gewinner der Digitalisierung sind, haben sie sich jetzt wenigstens bereit erklärt, die Kinos bei der Anschaffung der digitalen Projektoren zu unterstützen. 20 Millionen Euro wollen sie lockermachen. "Wie die Zuschüsse der Verleiher verteilt werden und über wen, ist mir noch nicht klar", sagt Christian Bräuer von der AG Kino-Gilde, dem Verband der Kinobetreiber.

Wie viel Geld die Kinobetreiber insgesamt bekommen, damit sie Server und Projektoren kaufen können, diskutieren der Beauftragte für Kultur und Medien und die Filmförderungsanstalt (FFA) seit vier Jahren. Dass sie unterstützt werden sollen, steht nicht infrage. Kleine Programmkinos gehören zur "kulturellen Basisversorgung", heißt es in einer Erklärung - niemand in Deutschland soll auf Filme verzichten müssen, die nicht aus Hollywood stammen und die die großen Multiplexe nicht zeigen.

Schwieriger wird es bei der Frage, ab wann ein Kino als "klein" und damit als öffentlicher Gelder bedürftig gilt. Nicht mehr als 180.000 Euro Jahresumsatz sollte ein Kino ursprünglich machen dürfen, wenn es Fördermittel erhalten will. Die Kinobetreiber protestierten dagegen, ihnen war dieser Betrag zu niedrig. Zu wenige Kinos würden damit in den Genuss von Fördergeldern kommen. Die FFA lenkte ein und hob die Umsatzgrenze auf 260.000 Euro an. Dadurch steigt die Zahl der Leinwände, die mit FFA-Geldern umgerüstet werden können, auf 1.500. Damit wird "die unendliche Geschichte der Digitalisierung jetzt hoffentlich zu einem guten Ende geführt", sagte FFA-Präsident Eberhard Junkersdorf. Er freut sich aber ein bisschen zu früh.

Selbst wenn die Kinos bald Gelder beantragen können, sind für Programmkinos wie das Berliner fsk längst nicht alle Fragen geklärt. Nach einem Modell stellen den Kinos sogenannte Drittanbieter die Server und Projektoren durch Leasingverträge zur Verfügung. "Wenn den Drittanbietern praktisch die Projektoren gehören, dann könnten sie uns vorschreiben, wann wir welche Filme zeigen müssen", befürchtet Wiesäcke. Für jeden digital gezeigten Film müsste der fsk-Verleiher dann über einen bestimmten Zeitraum eine Gebühr bezahlen, die sogenannte Virtual Print Fee, bis die Geräte abbezahlt sind. Damit aber wächst die Abhängigkeit kleiner Kinos von den Verleihern, die wiederum von den Drittanbietern abhängig werden. "Das bedeutet Kontrolle dessen, was wir zeigen", befürchtet Wiesäcke. Die Filme, die sowieso schon schwer zu kriegen sind, hätten noch weniger Chancen, in die Kinos zu kommen.

Die Umrüstung auf digitale Vorführtechnik ist nicht aufzuhalten, da kann Wiesäcke nichts machen. In Nordrhein-Westfalen haben die ersten 14 Kinos bereits Geld für die Server und Projektoren für digitale Filme bekommen. "Die meisten von ihnen würden es ohne die zusätzlichen Fördergelder der FFA nicht schaffen", sagt Britta Lengowski von der Filmförderung NRW. Geld bekommen die NRW-Kinos, die bereits für ihr Programm ausgezeichnet worden sind, also solche, die viele deutsche und europäische Filme zeigen oder ein eigenes Kinderprogramm haben. "Damit haben wir alle Arthouse-Kinos in NRW erfasst. Bei denen steht die kulturelle Perspektive im Vordergrund", sagt Lengowski. Diese Kinos betreiben oft mehr Aufwand und haben höhere Ausgaben. "Das prüfen wir dann im Einzelfall." Lengowski ist überzeugt, dass es die kleinen Kinos dank der Fördermittel aus den verschiedenen Töpfen schaffen werden, sich den digitalen Fortschritt zu leisten.

Längere Haltbarkeit

Wiesäcke ist da skeptisch. "Die digitalen Projektoren halten doch maximal 15 Jahre. Dann müssen wir wieder neu investieren." Seine derzeitigen 35-Millimeter-Projektoren stammen aus den 1980er Jahren. "Wenn ich sie gut behandle, halten sie noch 20 bis 30 Jahre", sagt er. Mit den Fördergeldern könnte er die zwei Server und Projektoren für sein Kino wohl anschaffen, glaubt Wiesäcke. "Aber was danach kommt, kann mir keiner sagen." Noch hat er keine Eile, in den Vorführräumen Platz zu schaffen für die Geräte. Aber Martin Wiesäcke rechnet fest damit, dass sich die Verleiher bald melden und die neuen digitalen Standards einfordern werden. Und dann geht es vielleicht ganz schnell mit dem technischen Fortschritt in den Kinos. Dem ersten seit 115 Jahren.

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