piwik no script img

■ Das Namensschöpfungsrecht und seine FolgenDietmar oder Usedom?

Kaum haben Ei und Spermium sich bewiesenermaßen zusammengetan, stellt sich gewöhnlich, nachdem die Überlebensfrage geklärt ist, die Namensfrage. Natürlich soll das nicht irgendein hundsordinärer, sondern der ultimative Volltreffer sein. Zum Leidwesen vieler ErzeugerInnen ist die Auswahl jedoch ganz frei nicht, denn das deutsche Namensrecht besagt, daß aus dem Vornamen das Geschlecht des Kindes klar hervorgehen muß. Außerdem hat das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit gefälligst durch den Namen nicht beeinträchtigt zu werden. So weit, so spielverderberisch. Wer aber soll entscheiden, ob es die Liebesfrucht beeinträchtigen wird, dereinst als Winnetou durchs Leben zu ziehen oder als Pebbles?

Wilfried Seibicke, Sprachforscher aus Heidelberg, der unter Linguisten berühmt-berüchtigte Vornamenmann, beschäftigt sich seit vierzig Jahren ausschließlich mit Vornamen. Winnetou ist in Ordnung, befindet der 65jährige, aber nur für Jungs. Pebbles hingegen ist für ihn indiskutabel, egal ob Mädchen oder Junge.

Nichtsdestotrotz genehmigte das Amtsgericht Bayreuth kürzlich einem Elternpaar, sein Baby nach dem jüngsten Gör der Flintstones zu benamsen. Das Beispiel macht Schule, auch Berliner Eltern kamen auf die superbe Idee, ihr Kind „Kieselstein“ zu taufen. Standesbeamtin Molina, der Kultserie unkundig, wußte allerdings mit „Pebbles“ nichts anzufangen. Also lud sie die Eltern zu einem klärenden Gespräch. „Ich drücke gern mal ein Auge zu“, sagt sie, und wenn die Begründung gut ist, wird von mir auch ein ungewöhnlicher Name genehmigt.“

Notwendigerweise erhielt die Berliner Kieselsteinin noch zwei Zusatznamen, die sie zum einen als weiblich ausweisen und auf die sie eines Tages zurückgreifen mag. „Wäre es der einzige Name gewesen“, so Molina, „hätte ich sicher ernste Bedenken gehabt – oder möchten Sie sich mit einem Namen wie Pebbles irgendwo um einen Job bewerben?“

(An)fälle solch begnadeter Elternphantasie sind jedoch eher selten; übereinstimmend berichten die amtlichen Namensordnungshüter von einem Trend zum Nostalgischen. Wie in den guten alten Zeiten tummeln sich Scharen von Lisas, Sophies und Maries in den Wiegen; Legionen von Pauls, Philipps und Maxe bevölkern die (Baumwoll-)Windeln; auch muß sich niemand mehr schämen, seinen Stammhalter Dietmar zu nennen. Dietmar ist wieder cool. Übrigens auf Kosten des einst so beliebten Kevin, was jeder mit Dankestränen in den Augen zur Kenntnis nehmen wird, dessen Trommelfell je mit der Berliner Version des an sich harmlosen Namens in Kontakt kam – eine phonetische Kombination, die sich für den nicht Herz/ Schnauze-betriebenen Menschen etwa so anhört: Keehfiehn.

Was aber tun, wenn alle Namen dieser Welt die ganze, überwältigende Besonderheit eines Kindes nicht zum Ausdruck zu bringen vermögen? Selber machen! Namensschöpfungsrecht heißt diese Alternative und wird offenbar recht lässig gehandhabt. In einem sauerländischen Lokalblatt zum Beispiel war vor kurzem die Geburt eines Zwillingspärchens angezeigt. Die Eltern hatten sich in einem Fall an Astrid Lindgren orientiert und das Kind als Ronja-Maritta vorgestellt. Das arme Schwesterchen allerdings muß Kira-Promona heißen. Auch Berliner Behörden ist das Namenbasteln vertraut. Zwar wird beim Registrieren eines Hugalfs oder eines Atrejus, einer LaLuna oder Sonngard schon mal tief durchgeatmet, aber verbal zu bunt wurde es in sechs befragten Ämtern nur zweimal: Veto bei Möwe und Usedom. Schade eigentlich. Michaela Behrens

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen