press-schlag: Dieter Baumann läuft nicht mehr
Ende der unendlichen Geschichte
Der Darmstädter Richter Franz-Robert Walter ist begeisterter Golfspieler, andere Sportarten hingegen tangieren ihn eher peripher, mehr gar: Er pflegt sie großzügig zu ignorieren. Das hat den guten Mann nun aber nicht davon abgehalten, für ein ganz, ganz tiefes Aufatmen im deutschen Sport zu sorgen, vorzüglich in der deutschen Leichtathletik. Jedenfalls hat Richter Walter am frühen Mittwochabend mit einem kurzen Satz einen längst zur unendlichen Geschichte mutierten Fall endlich zu Ende gebracht. „Die Berufung wird zurückgewiesen“, hat Franz-Robert Walter im kleinen Raum 402 des Darmstädter Oberlandesgerichtes verkündet und damit, zumindest vorläufig, einen Schlusstrich unter den Fall des wegen Dopingmissbrauchs gesperrten Langstreckenläufers Dieter Baumann gezogen.
Baumann darf nicht, wie in dem Verfahren erneut von ihm angestrebt, beim Hanse-Marathon am Wochenende in Hamburg starten – und wenn seinem Heidelberger Rechtsanwalt Michael Lehner nicht noch ein geschickter Winkelzug einfallen sollte, wovon kaum mehr auszugehen ist, wird Baumann auch bis zum Ende seiner vom Internationalen Leichtathletik Verband (IAAF) verhängten Sperre nicht mehr starten dürfen, auch in Deutschland nicht. Diese läuft frühestens am 21. Januar 2002 ab, wenn Baumann Pech hat, verlängert sie sich gar um ein Jahr, als Strafe dafür, dass der Tübinger bei den deutschen Hallenmeisterschaften gestartet ist, obwohl er von der IAAF doch nach wie vor gesperrt war. Wann, wie und ob der 36-jährige Schwabe dann überhaupt noch einmal auf die Bahn zurückkehren wird, scheint somit zumindest fraglich. „Irgendwann lässt auch meine Motivation nach“, kommentierte er das Urteil vom Mittwoch. Zumal dem Olympiasieger von 1992 nun keine Berufungsmöglichkeit mehr offen steht.
Vielleicht also hat Richter Walter Baumanns aktive Karriere beendet, ziemlich sicher aber hat er mit seinem Urteil dem Sport hier zu Lande ein letztes Restlein Rechtssicherheit zurückgegeben, dadurch nämlich, dass er der IAAF eine „originäre Sanktionskompetenz“ zuerkannt und darauf verwiesen hat, dass die Maßgeblichkeit einer Entscheidung eines Dachverbandes wie der IAAF auch im deutschen Recht durchaus bekannt sei. Soll heißen: Der deutsche Verband und seine Athleten müssen sich sehr wohl internationalen Regeln unterwerfen – und können sie nicht per Handstreich für nichtig erklären, so sie ihnen nicht in den Kram passen, wie von Baumann und so manchem seiner Fürsprecher ausgiebig praktiziert. Zudem verwies Richter Walter auf die Athletenvereinbarung des DLV, die auch Baumann unterschrieben hat und die eine Anerkennung des IAAF-Regelwerks beinhaltet.
Bei alledem offen blieb erneut die Frage, ob Baumann nun gedopt hat oder nicht, eine Debatte darüber wollte Richter Walter erst gar nicht aufkommen lassen. Letztendlich geht es darum ja schon lange nicht mehr. FRANK KETTERER
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