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Archiv-Artikel

Diesseits von Entenhausen

Hamburg ist eine Hochburg für kleine, künstlerisch ambitionierte Comicmagazine geworden. Heute wird in einem Tanzschuppen auf St. Pauli der jüngste Neuzugang vorgestellt: Two Fast Colour, in zwei Monaten entstanden, ist eine kopierte Sammlung von Zeichnungen aus Hamburg und aller Welt

„Es geht um das Mitteilungsbedürfnis“, sagt die Comic-Macherin. „Wir wollen sagen: Guck mal, wen ich kenne und wie gut der zeichnen kann.“

VON ANNIKA STENZEL

Sie werden alle da sein, wenn Marlene Krause und Martina Lenzin ihr neues Comic-Heft mit deutschen und internationalen Zeichnern vorstellen. Sie, das sind Comic-Liebhaber und auch die Zeichner von der Konkurrenz, auch wenn sie das selbst so nie sagen würden. „Es gibt keine Konkurrenz zwischen uns Zeichnern“, behauptet Illustrator Haina. Auch Zeichnerin Claire Lenkova sieht das so: „Ich sehe die Arbeit der Anderen als Inspiration. Jeder hat einen speziellen Stil, macht sein eigenes Ding.“

Das sieht man. Von klassischen Comic-Strips bis zu kunstvollen Illustrationen ist in den etablierteren Hamburger Magazinen Spring und Orang alles vertreten. Alle Künstler erzählen eine Geschichte, ob mit oder ohne Text. Claire Lenkova, die eigentlich ganz anders heißt, beschäftigt sich zum Beispiel mit der Hirnforschung und verarbeitet Ängste und Träume in ihren Comics. Haina malt oft Geschichten mit kleinen Tierchen. Mokis fantasievolle Charaktere leben in verzauberten Traumwelten. Andere beschäftigen sich mit Politik, es gibt auch Illustrationen wie Landschaften, Körper und Fantasiegebilde.

Und diese Vielfalt wird geschätzt. „Wir freuen uns, wenn wir schöne neue Sachen zu sehen bekommen“, sagt die Künstlerin Moki. Die Szene ist überschaubar. Man kennt und trifft sich.

Herausgeber von Orang ist Sascha Hommer. Als er 2002 nach Hamburg kam war er erstmal enttäuscht von der Szene. Aber das hat sich geändert. „Die, die heute die gefragten und etablierten Künstler sind, haben damals die Szene aufgebaut“, sagt Hommer. Heute ist er selbst eine Szene-Größe. Für jede Orang-Ausgabe legt er zunächst ein Thema fest. Aktuell geht es um „Zwielicht“. Hommer fragt junge Künstler an und entscheidet, was ins Heft kommt. Seit 2004 ist Orang sechsmal erschienen. Die ersten vier Ausgaben mit bis zu 1.000 Exemplaren sind ausverkauft.

„Früher hab ich mich oft als Buhmann gefühlt, wenn ich einen Zeichner abgelehnt habe,“ sagt er, „heute ist das nicht mehr so.“ In der Szene wird Orang aber gerade wegen der strengen Auswahl geschätzt.

Angst vor der aktiven Konkurrenz auf dem heimischen Markt hat Hommer nicht: „Two Fast Colour ist ein Kopierheft, das ist dann doch noch etwas anderes“, sagt er. „Und Spring ist eher eine anspornende und beflügelnde Konkurrenz.“Außerdem zeichnen viele der Spring-Frauen auch im Orang.

Unter den jüngeren Hamburger Comic-Zeichnern ist der Frauenanteil sehr hoch. „Das bereichert. Frauen zeichnen anders“, sagt Hommer. „Ich kann das nicht erklären, aber meistens sieht man, wenn der Comic von einer Frau ist.“ Auch Claire Lenkova nennt die Zeichnungen aus ihrem Magazin Spring „sehr weiblich“.

Spring ist das Magazin einer Zeichnerinnengruppe, die den Begriff Comic weiter fasst – als Raum zwischen Comic, Illustration und Kunst. Wie bei Orang zieht sich ein Motto durch jede Ausgabe, zuletzt „Garten Eden“. Die jungen Frauen entscheiden alles demokratisch. Sie treffen sich, bestimmen das Thema, und kritisieren sich gegenseitig. „Das dauert dann zwar meist länger, ist aber auch netter“, findet Moki, die sowohl bei Spring als auch bei Orang veröffentlicht. Die vierte Ausgabe ist mittlerweile erschienen. Seit dem ersten Heft hat Spring die Auflage von 500 auf 1000 verdoppelt. Durch die gestiegene Bekanntheit und eine gesicherte Finanzierung ergeben sich auch mehr Möglichkeiten für die Künstlerinnen. Das vierte Magazin wurde zweifarbig gedruckt, das fünfte wird wahrscheinlich noch bunter werden. Leben kann man davon jedoch nicht. Aber darum geht es auch gar nicht. „Meine Comics sind autobiografisch. Alles, was ich erlebe, wird verwurstet“, sagt Lenkova. Ruhm und Ehre sind Nebensache. „Klar, Aufmerksamkeit finde ich auch nicht doof“, sagt Haina, „aber schlussendlich malt man zuerst einmal für sich und dann für die Leute drumrum“. Oft versteckt Haina kleine Botschaften in seinen Comics, die nicht jeder erkennen kann. „Trotzdem muss der Comic für alle verständlich sein“, sagt er.

Mit der Professionalität der Magazine Orang und Spring kann die neue Comic-Anthologie Two Fast Colour noch nicht mithalten. Im Gegensatz zu den beiden Magazinen ist es ein getackertes Kopierheft. Die Redaktion ist ein kreatives Chaos. Martina Lenzin und Marlene Krause haben Two Fast Colour innerhalb von zwei Monaten auf die Beine gestellt. Sie haben befreundete Zeichner aus Hamburg angefragt und nach internationalen bei der Online-Plattform Myspace gesucht. „Ich habe die Leute, deren Stil mir gefallen hat, einfach gefragt, ob sie Lust haben mitzumachen“, sagt Lenzin. Auch hier geht es nicht ums Geld verdienen, sondern um die Publikationsform. „Es geht um das Mitteilungsbedürfnis“, sagt sie. „Wir wollen sagen: Guck mal, wen ich kenne und wie gut der zeichnen kann.“ Und weil die beiden Nachwuchsredakteurinnen die Künstler nicht einschränken wollen, konnte jeder Zeichner selbst entscheiden, was ins Heft soll. „Wenn wir einen Zeichner gut fanden, haben wir gesagt: Mach was für uns“, sagt Krause. Ihr Comic wird auch nicht auf einer Vernissage vorgestellt, sondern im ehemaligen Foo-Club, einem Tanzschuppen am Hamburger Berg auf St. Pauli. Dort wird es kleine Comic-Clips auf Leinwänden zu sehen geben und laute Elektro-Musik. „Ich fände es toll, wenn die Leute nach einer durchtanzten Nacht glücklich mit einem Comic in der Hand nach Hause gingen“, sagt Lenzin.

Two Fast Colour Release-Party heute ab 20 Uhr im Headcrash/Ex-Foo, Hamburger Berg 13. Hefte kann man unter twofastcolour@yahoo.com bestellen.