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„Dieser Bastard gehört in den Knast“

■ Milosevic muß verhaftet werden, fordert der amerikanische Schriftsteller John Irving. Er verlangt den Einsatz von Bodentruppen und ein Ende der Mär, daß dieser Krieg schnell zu gewinnen ist

taz: Ihr erster Roman „Setting Free the Bears“ ist die Geschichte zweier österreichischer Jugendlicher, die gegen die Wiederkehr des Faschismus protestieren. Der Roman stammt aus dem Jahr 1969 und gehörte noch nicht zu Ihren erfolgreichen Büchern. Aber das Thema ist jetzt angesichts der „ethnischen Säuberungen“ und der nationalistischen Bewegungen auf dem Balkan wieder aktuell.

John Irving: Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich diese Sache quält. Es ist so eine schreckliche Tragödie, daß dieses Jahrhundert mit einem Krieg und der Vertreibung von Menschen zu Ende geht. Einem Vorgang, der an die Vertreibung der Juden im Zweiten Weltkrieg erinnert. Sieht so aus, als würden Nationalismus und Vertreibung die Kennzeichen dieses Jahrhunderts bleiben. Und wieder, wie beim letzten Mal, ist die Welt zerrissen, unsicher, was zu tun ist.

Ist Milosevic in Ihren Augen ein zweiter Hitler?

Egal wie Sie ihn nennen: Faschist, zweiter Hitler oder Stalin. Er ist ein Verbrecher. Und er ist der Führer eines souveränen Staates. Milosevic log die Staatengemeinschaft an, als es um Kroatien ging. Er log wieder, als die Welt versuchte, den Bosnienkonflikt einzudämmen. Er lügt jetzt. Milosevic ist kein Mann, mit dem man verhandeln kann.

Krieg ist das Eingeständnis, daß die Politik versagt hat. Was ist zu tun?

Ich denke, alle Europäer, der ganze Westen muß sich bewußt sein, was da im Kosovo vorgeht. Wir dürfen nicht weggucken. Und wir müssen den Preis bezahlen, den es kostet, nicht wegzugucken. Den Preis, den es kostet, wirklich für die Leute einzustehen, die mißhandelt, getötet, vertrieben werden. Und der Preis wird sehr hoch sein. Aber ich sehe keinen Politiker oder Militär hier in den USA oder auch in der Nato, der ehrlich und deutlich sagt, um was es geht. Auch was es bedeuten würde, wenn wir uns abwenden. Und das haben wir ja schon lange genug getan. Milosevic konnte seine großserbischen Ziele lange Zeit ungehindert verfolgen. Meine persönliche Meinung über diesen Mann ist: Man hätte diesen Bastard kürzlich bei den Verhandlungen in Rambouillet festnehmen und ihm gleich den Prozeß machen sollen. Der Mann gehört in den Knast. Und mit ihm halb Serbien.

In Deutschland gibt es eine wachsende Anzahl von Kriegsgegnern unter den Intellektuellen. Was sagen die Intellektuellen in Amerika zum Krieg auf dem Balkan?

Ich bin ein Liberaler, kein Intellektueller. Ich weiß nicht, was amerikanische Intellektuelle zu diesem Problem sagen. Aber unter meinen Freunden sind viele Isolationisten. Es gibt eine große Bewegung in den USA, speziell unter den Rechten, deren Haltung ist: ,Kosovo? Nicht unser Problem! Warum sollten wir uns da engagieren? Das ist das Problem der Europäer. Warum sollten wir uns da einmischen?‘ Einmischung ist die Verletzung internationalen Rechts, sagen sie. Aber kümmert sich Milosevic um internationales Recht, gar um Menschenrechte? Und wenn dann die empörten Aufschreie kommen, weil serbische Zivilisten bei einem Nato-Angriff verletzt oder getötet wurden. Dann frage ich: Was ist mit Milosevic? Er geht seit Jahren nur und ausschließlich gegen Zivilisten vor, läßt sie töten, vergewaltigen, vertreiben.

Gibt es noch ein Zurück? Offenbar waren die Nato-Bomben nicht so erfolgreich in der Ausschaltung von Milosevic' Waffenarsenal wie gehofft.

Nein. Aber wer ist ehrlich genug auszusprechen, daß der jetzige Konflikt keine kleine Sache ist? Dies ist ein großer Krieg. Wenn wir wirklich die Kosovaren vor Milosevic beschützen wollen, wenn wir ihnen wirklich ihre Heimat wiedergeben wollen, dann werden Bodentruppen nötig sein. Wir können uns nicht länger in die Tasche lügen, daß ein sauberer Krieg aus der Luft die ganze Angelegenheit beenden könnte. Das ist doch verrückt. Aus der Luft können wir diesen Krieg nicht entscheiden. Wir brauchen Bodentruppen. Unsere Soldaten und deutsche Soldaten und Soldaten aus anderen europäischen Ländern müssen hingehen und dort kämpfen. Und es werden nicht nur ein paar von ihnen in diesem Krieg sterben. Und dieser Krieg wird dauern. Er wird die Jahrhundertwende überdauern. Aber die wirkliche Tragödie wäre, wenn sich Europa und die Vereinigten Staaten aus der Auseinandersetzung zurückzögen. Sie haben lange genug gezögert, in der Hoffnung, die Sache würde sich schon von allein lösen. Genau so, wie sie es anfangs auch mit Hitler taten. Ich meine, wenn die Welt sich wieder fürs Weggucken entscheidet, dann wird dieses Jahrhundert in die Geschichte eingehen als Jahrhundert der Wiederholungen. Dann haben wir wirklich nichts gelernt. Interview: Brigitte Neumann

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