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Diepgens Angst: Regieren ohne SPD

■  Selbst Sozis würden Diepgen wählen: Sympathiewerte für SPD-Spitzenkandidat Momper sind schlechter als bei allen Kandidaten zuvor. Diepgen setzt weiter auf die Große Koalition und sein Image als präsidialer Regierungschef

Walter Momper hat die schlechtesten Kandidatenwerte aller Zeiten, Eberhard Diepgen die besten. Dennoch glaubt der Regierende Bürgermeister nicht daran, mit der CDU die absolute Mehrheit bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 10. Oktober zu erringen – und er will es nicht einmal.

Eine absolute Mehrheit, sagte Diepgen, sei „unrealistisch“ und wäre „vielleicht auch nicht weiterführend“. Angesichts der „großen Umbrüche“ seit der Einheit der Stadt sei ein „Höchstmaß an Zusammenarbeit zwischen den großen politischen Lagern notwendig“.

Zu Überlegungen innerhalb der SPD, bei Wahlverlusten die Koalition mit der CDU nicht fortzusetzen, sagte Diepgen: „Jede Partei hat die Verpflichtung, ihren Beitrag auch zur Regierungsfähigkeit zu leisten.“ Auch Kultursenator Peter Radunski (CDU) wies Spekulationen über eine absolute Mehrheit zurück. „Dafür gibt es in Berlin bei einem stabilen Vierparteiensystem kein Potential.“

Wenn der Regierende Bürgermeister direkt gewählt würde, würde Diepgen einer neuen Umfrage von Forsa zufolge 58 Prozent der Stimmen erhalten, Momper dagegen nur 13 Prozent. Damit hat sich der SPD-Spitzenkandidat, wenn man den Zahlen glauben kann, zum unbeliebtesten Politiker der Stadt entwickelt. Selbst SPD-Wähler würden Diepgen wählen. Nur 27 Prozent von ihnen würden sich für Momper, 52 Prozent für den jetzigen Amtsinhaber entscheiden.

In seiner Kritik an der SPD aber blieb Diepgen am Wochenende auffallend moderat. In einem Interview warf er dem Koalitionspartner zwar einerseits vor, er habe „nicht die ganze Stadt im Blick“. Auch kritisierte er, dass sich seine Stellvertreterin, Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, zu sehr auf Haushaltsfragen konzentriert habe. Andererseits lobte er im gleichen Atemzug: Bei der Haushaltskonsolidierung habe man „ganz eindeutige Forschritte“ gemacht und wäre ohne den „Mut“ und das „Engagement“ der Finanzsenatorin auch bei den Privatisierungen von Betrieben der öffentlichen Hand nicht weitergekommen.

Diepgens zurückhaltender Umgang mit der SPD hat aber auch mit seiner Wahlkampftaktik zu tun, sich als präsidialer, dem schnöden Alltagsgeschäft entrückter Regierungschef zu präsentieren. Im Vergleich zu 1995 sei der Wahlkampf „sehr freundlich“, sagt sein PR-Berater Axel Wallrabenstein. „Agressionen gibt es nicht mehr.“ Markus Franz

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