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„Die wollen doch nicht etwa...“

■ Palast der Republik besetzt: Unzählige Künstler folgten dem Aufruf der „Initiative 4. November“ Direktor Beetz: „Auch ich bin das Volk“ / Aus dem Palast soll nicht noch einmal ein Protzbau werden

Marx-Engels-Platz vor dem Sturm, Fahrspur vor dem Palast der Republik, später Vormittag. Noch herrscht hier die Ruhe vor dem Sturm, nur ein kalter Nordostwind pfeift über das Areal. Schon treffen die ersten Fahrzeuge ein, halten vor dem Eingang; Kamerateams entladen ihre Technik. Plötzlich erscheinen mehrere junge Leute mit Plasteeimern und großen Pinseln in den Händen. Die Eimer sind randvoll gefüllt mit gelber Farbe. Erster Schreck bei den das Treiben beäugenden Palastmitarbeitern: Die wollen doch nicht etwa...?

Dann beginnen sie mit ihrer Arbeit. Buchstabe für Buchstabe malen sie ihre Forderungen auf den Asphalt. Später, wenn sie ihr Werk vollendet haben, wird einer auf die Repräsentationsbalustrade über dem Haupteingang steigen, die früher nur den ihrem Volk jovial zuwinkenden alten Männern vorbehalten war, und wird Wort für Wort der sich unten sammelnden Menge verlesen. Der Text: „Jede Nutzung, Vergabe oder Veräußerung des Gebäudes zu kommerziellen oder repräsentativen Zwecken wird abgelehnt.„

Die angekündigte Kundgebung fiel dem naßkalten Wetter zum Opfer, doch im Palast der Republik herrschte bereits am Sonntag um 12 Uhr rege Betriebsamkeit, vor dem Haus wehten bunte Phantasie-Flaggen.

Im Foyer des Hauses verkündet ein Transparent in großen Lettern: „Der Palast ist besetzt!“ Kulturgruppen hatten dazu aufgerufen, in dem Renommierbau durch phantasievolle Anwesenheit dafür zu demonstrieren, daß ein Kulturzentrum im Zentrum Berlins entsteht. Losungen wie „Macht eure Kunst bei uns“, „Die Kunst von Bürgern für Bürger - im Haus für öffentliche Kunstproduktion“ oder „Der Palast ist kein Ballast, den man verkaufen kann“, verkündeten das Anliegen der Palast-Besetzer.

Palast-Direktor Dr. Beetz zur taz: „Eigentlich habe ich ja heute dienstfrei. Daß ich trotzdem anwesend bin, hat damit zu tun, daß ich mich sozusagen auch als Besetzer fühle. Auch in bin das Volk!“ Die Fete dauerte bei Redaktionsschluß noch an.

Die Künstler verlangen jetzt, daß alle Räume als Ateliers, Studios und für Proben zur Verfügung stehen, um unterschiedliche Kunstformen entwickeln und öffentlich ausprobieren zu können. Der Palast der Republik dürfe nicht länger nur den „Großen“ vorbehalten sein, sagte Thomas Heise von der Initiativgruppe laut 'adn‘. Die Besetzer fordern auch, die Einrichtung weiterhin als eine staatlich subventionierte zu erhalten, wie dies bereits der Runde Tisch am vergangenen Montag verlangte.

Durch die mehrstündige Aktion verwandelte sich der Palast der Republik in einen „Vergnügungspark“, schilderte die DDR -Nachrichtenagentur 'adn‘. Leierkasten- und Blasmusik wechselten mit Rockklängen und jiddischer Folklore, Kabarettgruppen gaben Kostproben ihres Könnens, und bildende Künstler ließen sich bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Hunderte Besucher bevölkerten die sonst meist recht unbelebten vier Etagen des Hauses.

taz

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