: Die „wehrhafte Demokratie“ im Senegal
■ Am Sonntag wurde Senegals Präsident Abdou Diouf mit 74 Prozent der Wählerstimmen in seinem Amt bestätigt / Am Montag folgten morgens Randale, mittags der Notstand und abends die Verhaftung des Oppositionsführers Abdoulaye Wade
Aus Dakar Knut Pedersen
Die Ergebnisse der Parlaments– und Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Sonntag sind - erwartungsgemäß - umstritten, die Oppositionsparteien werfen der Regierung „flagranten Wahlbetrug“ vor, und der aussichtsreichste Rivale Abdou Dioufs, der Rechtsanwalt Aboudalye Wade, hat bereits seit Wochen die Bildung einer „Gegenregierung“ angekündigt, falls sich der Wahlbetrug von 1983 wiederholen sollte. Vor fünf Jahren wurde in der Tat das Wahlergebnis massiv „korrigiert“. Unter dem Druck wachsender Opposition im Lande hat sich die Regierungspartei diesmal mehr Diskretion auferlegt - aber kaum Zurückhaltung. In einem Land, in dem seit vier Jahren Meinungsumfragen verboten sind, läßt sich das Echo verschiedener Parteien nur schwer ermessen. Tatsache aber ist, daß der - erwartete - Sieg Abdou Dioufs und seiner regierenden „Sozialistischen Partei“ unerwartet und verdächtig hoch ausgefallen ist angesichts einer virulenten Opposition, die schnell an Boden gewinnt. In der Wahlnacht haben die Studenten in Dakar ihrer Enttäuschung und Wut freien Lauf gelassen: am Montag morgen gingen Wagen in Flammen auf, wurden Barrikaden errichtet und die anrückende Polizei mit einem Stein hagel empfangen. Bereits seit Sonntag nacht waren in den Straßen der senegalesischen Hauptstadt Panzer aufgezogen, und das Innenministerium hatte öffentliche Versammlungen untersagt. Am Montag mittag folgte dann die Ausrufung des Notstandes in der Hauptstadt unter dem Vorwand „gewaltsamer Ausschreitungen“. Die hat es tatsächlich gegeben, aber zu keinem Zeitpunkt war ernsthaft die öffenliche Ordnung in Gefahr. Aber es geht wohl auch nicht um die öfffentliche Ordnung, sondern vielmehr um eine „neue demokratische Ordnung“, von der Präsident Diouf bereits am Vorabend der Wahlen mit drohendem Unterton gesprochen hatte: er wolle die allzu permissive Demokratie „kurieren“, kündigte er an und resümierte: „Wir sind zu weit gegangen.“ Bis an den Rand des Machtwechsels. Der 57jährige Technokrat Abdou Diouf ist ohne Zweifel kein machthungriger Tyrann. Und die in Afrika so seltene Meinungsfreiheit bleibt in Senegal garantiert - jedenfalls solange sie nicht die Machtfrage stellt. Dessen aber hat sich Abdoulaye Wade und seine Oppositionspartei schuldig gemacht: in einem seit der Unabhängigkeit, d.h. seit 28 Jahren, von derselben Machtelite regierten Land, haben sie den Überdruß kanalisiert und die Hoffnung auf „Wechsel“ verkörpert. Angesichts des deprimierenden wirtschaftlichen Notstandes war der Ruf nach einem Wechsel an der Macht - sopi in der Landessprache Wolof - in den vergangenen Monaten zum Sesam–öffne–dich einer besseren Zukunft geworden. Ob es eine bessere Zukunft wirklich gegeben hätte, ist mangels politischen Spielraums fraglich. Tatsache aber ist, daß heute eine bessere Vergangenheit zu Ende geht: Gestern noch hoffende Bürger erwachen am Morgen nach den Wahlen in einem Land, das im afrikanischen Vergleich nicht mehr „ganz anders“ ist.
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