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Die wahren Zustände

■ Antwort zum Brief "Dachbesteigung gegen Käfighaltung", taz vom 25.7.90

Antwort zum Brief „Dachbesteigung gegen Käfighaltung“,

taz vom 25.7.90

Wer Tucholsky zitiert und so darauf hinweist, daß der, der die wahren Zustände nicht erkennt, (nur) ein Dummkopf ist, beschimpft sich mit einem Beitrag wie „Dachbesteigung gegen Käfighaltung“ selbst.

Ein wahrer Zustand ist doch wohl auch, daß sich Strafgefangene zum Beispiel einerseits - berechtigt - über eine minderwertige Entlohnung ihrer Arbeitsleistung voller Unmut äußern. Gleichzeitig unterwerfen sie sich aber doch genau diesen Arbeitsbedingungen, die eine Entlohnung von fünf Prozent des Durchschnittseinkommens aller pflichtversicherten Arbeiter und Angestellten vom vorvergangenen Jahr beinhalten und darüber hinaus den Ausschluß aus der Kranken- und Rentenversicherung.

Ein derartiges Ausbeutungsverhältnis kann doch nur dann funktionieren, wenn sich von mindestens zwei Menschen einer ausbeuten läßt.

Die Geschichte lehrt, daß, wenn ein starker Arm es will, alle Räder stillstehen. Der Zusammenhalt in der Not innerhalb bundesdeutscher Strafanstalten müßte zunächst reformiert werden, denn solange dort Uneinigkeit, Denunziation, zweckdienliche Unterwürfigkeit und sogenannte Arschkriecherei, mit dem Ziel, nur für sich alleine Vollzugslockerungen oder Vergünstigungen zu erhalten, an der Tagesordnung sind, ist es völlig zwecklos und darüber hinaus auch unfair, die Verantwortung für die Situation in den Strafanstalten primär auf die Mitmenschen außerhalb der Mauern abzuwälzen.

Solange die vorhandenen eigenen gewaltlosen Möglichkeiten nicht wahrgenommen werden und ausschließlich auf Einsatz und Hilfe von draußen spekuliert wird, wird sich am Stravollzug gar nichts ändern.

J.-P. H., Diez

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