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Die unendliche Chemiemüll-Geschichte

Brisanter Sondermüll lagert seit über 20 Jahren in der Müggenburger Straße / Im Herbst beginnen die  ■ Sanierungsarbeiten

Der Senat hat gestern beschlossen, im Herbst mit der Sanierung der ehemaligen Deponie in der Müggenburger Straße zu beginnen. Die Deponie in Wilhelmsburg gehöre zu den fünf „prominenten“ Altlasten der Stadt, erläuterte Umweltsenator Fritz Vahrenholt.

Im Gegensatz zu den Sanierungsobjekten Mülldeponie Georgswerder, Betriebsgelände der Firma Boehringer, des Goldbekhauses und der Billesiedlung ist die Altlast neben dem Gelände der Norddeutschen Affinerie in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten. Die Stadt betrieb dort von 1961 bis 1967 eine „Sondermüllablagerungsfläche“. Vor allem Industrieabfälle wie Altöl, Lackreste und Chemikalien landeten am Müggenburger Kanal — insgesamt 450 000 Kubikmeter Sondermüll. Darunter war auch, so die Umweltbehörde, „hochbrisanter Chemiemüll“, wie 2000 Tonnen flüssige und feste Abfälle der Firma Boehringer. Behördliche Untersuchungen ergaben, daß die Deponie ebenso wie der Müllberg Georgswerder Dioxin, Arsen und andere Gifte enthält. Es müsse von einer „künftigen, möglicherweise massiven Grundwassergefährdung“ ausgegangen werden. Bis heute lägen die Gifte aber „noch relativ sicher“, das sei einer abdichtenden Kleischicht unter der Deponie zu verdanken.

Der Senat hat nun ein Sanierungskonzept beschlossen und den Beginn der Bauarbeiten auf den kommenden Herbst festgelegt. Um die Gifte an künftigen Wanderungen in Richtung Grundwasser zu hindern, wollen die Altlastenexperten der Behörde die Deponie einkapseln und dann austrocknen. Nach außen abgedichtet wird die Halde mit stählernen Spundwänden. Die Müggenburger Stauwässer sollen mit einer Transportleitung zur Deponie Georgswerder geleitet und dort mitbehandelt werden.

Teurer als ursprünglich geplant wird die Sanierung, weil der Westteil der Ex-Deponie von der Norddeutschen Affinerie (im Volksmund „Affi“) bebaut ist. Dort steht das Drahtwerk der Kupferhütte. Damit dieser Werksteil nicht in Grund und Boden versinkt, und um sich „vor Schadensersatzforderungen der Affi zu schützen“, wie Umweltbehördensprecher Kai Fabig sagt, soll die stählerne Sicherungskapsel zweigeteilt werden. Die zusätzliche Dichtwand aus Stahl treibt die Sanierungskosten in die Höhe. Kalkuliert waren anfänglich 48 Millionen Mark, aktuelle Schätzungen liegen bei 58 Millionen Mark Gesamtkosten für Planung, Untersuchungen und Investition. Drei Millionen steuere die Norddeutsche Affinerie bei, berichtete der Umweltsenator gestern. Das Einkapseln und Trockenlegen der Sondermüllhalde dauert. Vahrenholt schätzt, man werde nicht vor 1998 damit fertig werden. Vera Stadie

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