: Die traurige Entführung des Selbstmörders
Im Menschen, Herr, hast du vergessen
das Leuchten deines silbernen Werkzeugs
wie ein zerstreuter Chirurg
der in die Haut des Patienten
die Schere einnäht und das Skalpell.
Woher sonst käme diese ziellose Verzweiflung
und die Ironie dieser Tränen auf Pump?
Ein Engel elektrisiert einen Epileptiker
und der wird schwanger davon –
aber wer wird ihm beistehn
und ihn von seinem Hirngespinst entbinden?
Der Selbstmörder
aus Melancholie
stürzt sich vom Turm der Notre-Dame
und erschlägt im freien Fall ein Kind.
Wer hat ihn im Flug dazu verurteilt
zum Kindsmörder zu werden?
Nicht umsonst haben Tagediebe auf die Mauern gepinselt:
„Hier könnt ihr anklopfen mit dem Kopf“
so hast du wenigstens noch eine Chance zu klären
ob dein Tod dir rechtmäßig gehört
ob der Tod eine strikt persönliche Angelegenheit ist
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen