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Die russische Seele

■ 3001 zeigt den Schuschkin-Film „Reisebekanntschaften“

Der Himmel heiter, die Hügel sanft geschwungen, dazwischen der Bauer, der die Sense im gleichbleibendem Rhythmus schwingt: ein Szenario der rustikalen Romantik. In der Stadt hingegen füllen die Menschen das Bild so sehr aus, daß die Häuser fast verschwinden und die Raumtiefe nicht mehr sichtbar wird. Hier das Landleben, dort die städtische Zivilisation. Bauer Wanja und seine Frau Njura bewegen sich während ihrer Reise aus der einen Welt in die andere.

Der Film Reisebekanntschaften des Regisseurs Wassili Schukschin ist eine Betrachtung über Stadt und Land der Sowjetunion in den siebziger Jahren. Zeitweilig hat man gar den Eindruck, man könne ins Innere der russischen Seele schauen. Die schwarz-weiß Bilder Schukschins erzählen sehr detailreich, packend, teilweise amüsant und bisweilen sentimental die Reise Wanjas und Njuras aus Sibirien in den Süden der Sowjet-Union.

Im Wechsel zwischen der Zuckerguß-Ästhetik des sozialistischen Arbeits-Mythos und dem italienischen Neo-Realismus zeigen die Szenen etwas vom Leben der GenossInnen und von der Auseinandersetzung mit dem sozialistischen System. Regisseur Schuschkin, der 1975 starb, verarbeitete in seinem vierten Film einen Teil seiner eigenen Geschichte. In einem Interview bekannte er, „all dieses Hin und Her zwischen dort und hier bringen einen unwillkürlich dazu, nicht nur über Dorf und Stadt, sondern über Rußland nachzudenken.“

Für westliche Augen bestätigen sich zum Teil arge Klischees, doch häufiger wird man überrascht. Mit Reisebekanntschaften setzt das 3001-Kino seine „GUS-Reihe“ fort, in der schon Schuschkins Filme Kalina Krassnaja und Seltsame Leute zu sehen waren.

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Reisebekanntschaften: 3001, 21. bis 27. April, 20.30 Uhr.

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