Die reichste Familie Indiens im Zwist: Bruderstreit bis ins Parlament
Seit Jahren bekämpfen sich die Brüder Ambani. Es geht um Macht und Milliarden. Ihren Streit tragen sie jetzt auch im Parlament aus - über eine Vertrauensfrage der Regierung.
Sie sind die reichsten Brüder der Welt: Mukesh Ambani und Anil Ambani. Schon das Leben ihres Vaters Dhirubhai Ambani war Stoff für einen schmalzigen Bollywoodfilm. Jetzt liefern sich die Söhne einen Machtkampf auf internationalem Parkett um das Familienerbe, dem indischen Reliance-Konzern, der Stoff für einen Wirtschaftskrimi hergeben könnte. Er betrifft Millionen Mitarbeiter, Aktionäre und Kunden. Und er betrifft die indische Regierung, deren Überleben sich an diesem Dienstag entscheidet.
Dhirajlal Hirachand Ambani, genannt Dhirubai: Der Sohn eines armen Lehrers aus einem Dorf in Gujarat machte Reliance zu Indiens größtem Konzern. Er begann angeblich als Tankwart, handelte mit Textilien und Kunstfasern, später mit Öl, Chemie und Telekommunikation. Als er 2002 69-jährig starb, gab es kein Testament. Dhirubai wird innerhalb der Reliance-Firmen noch heute wie ein Guru vereehrt. Der Bollywood-Film "Guru" (2007) über einen ehrgeizigen Aufsteiger und seine Methoden basiert auf seiner Geschichte.
Mukesh Ambani, 51: Der ältere Sohn und laut Forbes-Milliardärsliste auf Rang 5 mit einem Vermögen von 43 Milliarden Dollar ist nach dem Stahlbaron Lakshmi Mittal der zweitreichste Inder. Da dieser aber in London lebt, gilt Mukesh als reichster Mann in Asien. Heute gehört ihm der Mischkonzern Reliance Industries (RIL). Indiens größter Konzern ist Global Player im Ölsektor, aber auch der größte Polyesterproduzent der Welt (u. a. Trevira). Zuletzt baute Mukesh eine Einzelhandelskette auf, die Produkte von Bauern direkt vermarktet.
Anil Ambani, 49: Besitzt die "Reliance - Anil Dhirubai Ambani Group" (Adag), deren Kern die Telekom-, Energie- und Finanzdienstleistungssparte des Reliance-Konzerns ist. Auf der Forbes-Liste hält er Rang 6. Er gehörte 2004 bis 2006 dem indischen Oberhaus an. Er war als Unabhängiger mit Unterstützung der Samajwadi-Partei gewählt worden.
Die beiden Ambanis besitzen Indiens größten Privatkonzern Reliance (ein Industriekonglomerat mit den Sparten Öl, Energie, Telekommunikation, Polyester, Textilien, Finanzen) und haben ein vom Magazin Forbes geschätztes Gesamtvermögen von 85 Milliarden US-Dollar. Ihre Unternehmen erwirtschaften 5 Prozent von Indiens Bruttosozialprodukt und stellen ein Fünftel des an Bombays Börse gehandelten Aktienwerts.
Doch die beiden Brüder sind völlig zerstritten. Das hat bereits 2005 zu einer monatelangen Schlammschlacht um den vom Vater geerbten Konzern geführt. Öffentlich warfen sie sich gegenseitig vor, sich nicht an Abmachungen zu halten und die Aufteilung des Konzerns zu verzögern. Schon dem Vater Dhirubai Ambani gelang die starke Expansion seines Reliance-Konzerns dadurch, dass er erfolgreich rechtliche Schlupflöcher ausnutzte und so nur wenig Steuern und Zölle zahlte. Die indische Journalistin Gita Piramal schreibt in ihrem 1996 erschienenen Buch "Business Maharajas" über Indiens Tycoons, dass Vater Dhirubai dank guter Beziehungen zu Politikern monopolartige Stellungen habe einnehmen und so sein Vermögen scheffeln können. Dabei habe er wie kein anderer Kleinaktionäre für sich mobilisiert und Aktienkurse zu seinen Gunsten manipuliert.
Vermögen verdoppelt
Seine beiden Söhne konnten seit der Aufteilung des väterlichen Konzerns 2005 ihr Vermögen mehr als verdoppeln. Viel ging dabei auf den indischen Aktienboom zurück. Auf der Milliardärsliste von Forbes lagen sie 2007 noch auf Rang 14 (Mukesh mit 20,1 Milliarden US-Dollar) und 18 (Anil mit 18,2 Milliarden). 2008 rückten sie auf Platz 5 (Mukesh mit 43 Milliarden) und 6 (Anil mit 42 Milliarden) vor.
Mukesh galt lange als der erfolgreichere und mehr dem Vater ähnelnde Sohn. Er hat die größeren Visionen. So schlug er etwa vor, die Probleme seiner wuchernden Heimatstadt Bombay dadurch zu lösen, dass sein Konzern auf der anderen Seite der Bucht einfach eine ganz neue Stadt baut. Auch die bei der Aufteilung des väterlichen Erbes Anil zugeschlagene Telekomsparte hatte eigentlich Mukesh aufgebaut. Und ausgerechnet deren jetzt gescheiterte Fusion mit dem südafrikanischen MTN-Konzern hätte Anil beim Vermögen an Mukesh vorbeiziehen lassen.
Anil gilt als der bessere Verkäufer und Finanzexperte. Zugleich neigt er mehr dem Glamour zu. Das unterstreicht nicht nur seine Ehe mit einer früheren Bollywoodschauspielerin, sondern auch seine Freundschaft mit Bollywoodsuperstar Amitabh Bachchan sowie seine Firma Reliance Big Entertainment. Die ist in Filmprojekten von Hollywoodgrößen wie Geoge Clooney, Tom Hanks und Brad Pitt engagiert.
Doch auch Mukesh lieferte in letzter Zeit viel Stoff für Klatschspalten. So lässt er sich gerade für seine Familie und 600 Bedienstete in Bombay ein luxuriöses 170 Meter hohes Wohnhaus mit drei Hubschrauberlandeplätzen auf dem Dach bauen. In der Stadt mit den weltgrößten Slums wird er dafür nicht nur bewundert. Für fast 112 Millionen Dollar kaufte er den Erstliga-Cricket-Club der Stadt. Der New York Times verriet er kürzlich, dass er wöchentlich bis zu drei Bollywoodfilme anschaue. Seine Frau ließ zu seinem 50. Geburtstag eigens einen Bollywoodfilm über ihn drehen. Er selbst revanchierte sich zu ihrem Geburtstag mit einem Airbus 319, der allerdings kürzlich beschlagnahmt wurde.
In der vergangenen Woche erreichte der Bruderkampf einen neuen Höhepunkt. Am letzten Freitag setzte sich der ältere Mukesh zunächst durch. Diese Woche könnte zugunsten von Anil ausgehen, sollten am Dienstag dessen politische Freunde von der Samajwadi-Partei bei der Vertrauensabstimmung über die von der Kongresspartei geführte Minderheitsregierung von Manmohan Singh im indischen Parlament an Einfluss gewinnen.
Fusion geplatzt
Am Freitag hatte Afrikas größter Mobilfunkkonzern MTN (68 Millionen Kunden) in Johannesburg bekannt gegeben, auf den Zusammenschluss mit Reliance Communications (Indiens zweitgrößtem Mobilfunkbetreiber mit 48 Millionen Kunden) von Anil Ambani zu verzichten. Als Grund nannten die Südafrikaner "rechtliche und regulatorische Gründe". Dahinter verbirgt sich der Widerstand von Mukesh gegen das Geschäft seines jüngeren Bruders Anil.
Bei der Fusion von MTN und Reliance wäre einer der weltgrößten Mobilfunkkonzerne entstanden. Vorgesehen war, dass durch einen Aktientausch MTN formal den indischen Partner übernimmt, Anil Ambani aber bei MTN die Mehrheit bekommt. Hier blockierte sein Bruder Mukesh und berief sich auf eine frühere Abmachung. Demnach sei bei Aufteilung des väterlichen Konzerns vereinbart gewesen, dass die Brüder bei Verkäufen jeweils ein Vetorecht hätten. Laut einem Sprecher Anils hätte Anil diese Vereinbarung aber nie unterzeichnet. Dennoch brach seit Mukeshs Veto der Aktienkurs von Reliance Communications um 24 Prozent ein.
Anils Vertreter blieben vorgeschlagenen Treffen zwischen den einstigen beiden Konzernhälften fern. Auch Mutter Koikilaben vermochte bisher nicht zu schlichten. Vergangene Woche leitete Mukeshs Konzern RIL formal ein Schlichtungsverfahren ein und ernannte einen früheren Richter als Schlichter. Dafür wäre aber eigentlich das beiderseitige Einverständnis nötig gewesen. Das lag von Anils Seite nicht vor, aber es reichte, um die Südafrikaner aussteigen zu lassen.
Umgekehrt zeigte Anil seinem Bruder, dass auch er ihm die Geschäfte vermiesen kann. So forderte der mit ihm eng befreundete Generalsekretär Amar Singh von der jetzt die Regierung unterstützenden Samajwadi-Partei Sondersteuern für Ölfirmen, die wegen der hohen Preise gerade große Gewinne machen. Dies würde Mukeshs RIL treffen, deren Aktienkurs darauf prompt 6 Prozent verlor. RIL betreibt bei Jamnagar in Gujarat eine der größten und modernsten Raffinerien der Welt.
Wer bei Indiens Chemie- und Petroindustrie bisher nur an die Katastrophe von Bhopal dachte, übersieht die Entwicklungen bei Reliance. Die erst 1999 für rund 6 Milliarden US-Dollar fertig gestellte Raffinerie in Jamnagar produziert nach höchsten europäischen Umweltstandards für den nationalen und internationalen Markt. Innerhalb ihres Geländes liegt gar eine Mangoplantage von Bäumen, die biologisch-dynamisch bewirtschaftet werden. Zurzeit wird die schon jetzt gigantische Vorzeigeanlage in ihrer Kapazität fast verdoppelt und ab Dezember dieses Jahres die mit Abstand größte Raffinerie der Welt sein.
Amar Singh bezeichnete Mukeshs Blockade des MTN-Geschäfts als "ekelhaft" und forderte eine Intervention des Premierministers. Seine Forderung nach Sondersteuern für Ölfirmen interpretierten Presseberichte zunächst als Druckmittel, um Mukesh von seiner Blockade von Anils südafrikanischem Telekom-Deal abzubringen. Es könnte auch Rache sein.
Flugzeug beschlagnahmt
Anil musste außer im Fall MTN jüngst noch einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Vergangene Woche beschlagnahmten die Finanzbehörden vorübergehend sein Flugzeug. Dies sei als Firmenjet nur mit einem niedrigen Steuersatz belegt gewesen, doch würde es oft auch privat genutzt. Damit hätte er höhere Steuern zahlen müssen, so der Vorwurf. Zuvor hatten die Behörden schon je ein Flugzeug von Mukesh und seiner Frau aus den gleichen Gründen an die Kette gelegt wie auch die von Führern anderer Konzerne.
Indische Medien spekulierten, die Regierung habe gegen Anils Flugzeug vorgehen müssen, um dem Eindruck zu widersprechen, er genieße wegen seines einflussreichen Freundes Amar Singh Sonderrechte. Eine Steuernachzahlung für den Jet könnte jetzt Anils Preis sein, um der angeschlagenen Regierung zu helfen. Denn deren Überleben ist Voraussetzung dafür, dass der Konzern seines Bruders künftig Sondersteuern auf Ölgewinne zahlen müsse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!