piwik no script img

■ Die populäre KonzertführerinDarauf einen Kümmerling

Die erfahrene Konzertbesucherin weiß: Musik ist nicht alles. Auch das Getränk muß stimmen. Zu den höllisch lauten Badtown Boys im Wehrschloß zum Beispiel empfehlen wir selbsthineingeschmuggeltes Billigbier. Interessanter als der relativ biedere Punkrock der Amerikaner dürfte allerdings das Vorprogramm sein: Auch jenseits des Eisernen Vorhangs hatte sich nämlich so etwas wie Punkkultur entwickelt. Eine der ältesten Punkkapellen Rußlands lockt mit ganz einzigartig russischem Gesang und dem bezeichnenden Namen Pogo dann eher zum Wodkagenuß. Im Wehrschloß ab 20 Uhr.

Etwas gesitteter geht es zeitgleich im Schlachthof zu: Swim-Two-Birds, Bremens renommierte Freistil-Jazzer, stellen ihren Longplayer vor. Bereits das Debut war ein Hochgenuß. Vertracktes, Verträumtes und Eingängiges mixten die schrägen Vögel zu einer hörenswerten Mischung aus Jazz, Funk und Blues. Da sollte der Sekt in Massen fließen.

Dagegen dürfte der fette Dreier am Samstag im Wehrschloß ziemlich schwer auf den Magen gehen: Das Chicagoer Label Amphetamine Reptile hat mit Hammerhead und Janitor Joe zwei ganz schöne Brocken ins Rennen geschickt. Die ersteren verstehen es, mit haßerfülltem Schmutzrock zu dritt und gnadenlos auf das Publikum einzuprügeln.

Dagegen wirken „Janitor Joe“ mit ihrer Mischung aus Melodiefragmenten und ganz viel verzerrter Gitarre fast gemäßigt. Aber nur, wenn man sie nicht an herkömmlichen Rockbands mißt. Solche kloppen die vier Hausmeister immer noch mit links an die Wand. Kenner freuen sich auf den Krach im Stile der „Cows“ oder der „God Bullies“. Dritte im Bunde: Mind Over Matter, die schlauesten und vielseitigsten Vertreter der New Yorker Hardcoreszene. Nach zwei relativ großartigen Langspielplatten gehören sie bereits zu den einflußreichsten Kapellen um den berühmten „ABC-No-Rio“-Club. Darauf am Hastedter Osterdeich am besten einen Grappa oder für den schmaleren Geldbeutel einen Kümmerling.

Leisere Töne schlägt am selben Abend Paul Millns in Vegesack an (um 20 Uhr im Kito). Der Gentleman aus dem Vereinigten Königreich erweist sich immer wieder als gewitzter Unterhalter zwischen Boogie, Jazz, Blues und auch sonst allen Stühlen. Wir empfehlen zu dem Poeten einen guten Bitter. Und wer überall hinhetzt und alles durcheinander trinkt, soll sich hinterher nicht beklagen.

Lars Reppesgaard

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen