: Die politische und soziale Realität
Betr.: „Kampf mit Grundsatz“, taz nord, 7.4.2005
Die streikenden Kolleginnen und Kollegen von Dräxlmaier und diejenigen, die sie dabei vor dem Werkstor von Dräxlmaier unterstützten, haben in zwei Tagen Arbeitskampf mehr über die politische und soziale Realität in der Bundesrepublik Deutschland gelernt als in zehn oder zwölf Jahren Schule. Schüttelt man seine Angst vor Unternehmerwillkür ab und will man gegen eine innerbetriebliche „Nasenpolitik“ bessere, tarifliche und damit nicht mehr von der Gnade des Unternehmers abhängige Arbeitsbedingungen durchsetzen, bekommt man es gleich mit mehreren Gegnern zu tun. Im vorliegenden Fall: Erstens mit der Firma Dräxlmaier, der anscheinend alle Mittel Recht sind, um tarifliche Arbeitsbedingungen in ihren Werken zu verhindern und die bundesweit Leiharbeitnehmer und Arbeiter aus anderen Dräxlmaier-Standorten als Streikbrecher mit Bussen herankarrte, um damit den Streik ins Leere laufen zu lassen. Zweitens mit der Justiz in Form des Arbeitsgerichtes Verden, das „ganz neutral“ eine einstweilige Verfügung mit der Androhung hoher Geldbußen gegen die Streikenden erlässt und es ihnen damit unmöglich macht, einen wirkungsvollen Arbeitskampf weiterzuführen. Und drittens mit einer Polizei, die originellerweise ebenfalls ihre Neutralität in diesem Arbeitskampf erklärt, um gleichzeitig in ziemlich ruppiger Form mit dem Einsatz einer ganzen Polizeihundertschaft zu drohen, sollten die Streikenden nicht das Werkstor freigeben. HOLGER BRUNS-RÖTTJER, Langwedel