Die neue Rächtschreibung: Sitzenbleiben ausgeschlossen
■ Teil 4: radfahren oder Rad fahren?
Der Countdown in den Printmedien läuft: Am 1. August stellen die deutschen Presseagenturen auf ndR (neue deutsche Rechtschreibung) um. Die Tageszeitungen werden sich dem anschließen. Die taz-Bremen wird der Kulturrevolution vom 1. August schon mal bisschen vorgreifen: Bis Ende Juli finden Sie jeden Dienstag an dieser Stelle eine Lektion in neuer Orthographie – vorgestellt von Bremer Deutsch-lehrerIn-nen. Und nicht nur das – im Zuge unseres kleinen Lehrgangs – werden wir die neue Schreibwei-se auch gleich peu à peu einführen.
Wird die neue Rechtschreibung es jetzt voll bringen, oder wird sie unter müden Schülern sogar ein helles Wunder vollbringen? Werden Schüler plötzlich nicht nur locker und gut schreiben, sondern ihre Erfolge auch noch selbstlos auf der Habenseite ihrer geplagten Lehrer gutschreiben? – Wunschträume!
Lang und steinig ist der Weg in die deutsche Orthographie und meine Oberstufler sind der Ansicht, daß Rechtschreibung es sowieso nicht bringt ... nicht auf die alte und auch nicht auf die neue Art. Wir sollten froh sein, wenn wir alle künftig zumindest ein klein wenig leichter und besser schreiben als zuvor.
Für die Getrennt- und Zusammenschreibung gilt in Zukunft die Fausregel: Wo du Zweifel hast, schreibe getrennt. Für alle Verb-Verb-Verbindungen gilt die sogar ausnahmslos. Sitzen bleiben also kann man in Zukunft nicht mehr nur auf einem Stuhl, sondern auch bei der Versetzung in der Schul – sitzenbleiben ist dagegen abgeschafft.
Adjektiv und Verb werden getrennt geschrieben, wenn das Adjektiv sich steigern läßt. Mit unsereR LebensabschnittspartnerIn soll das nicht anders sein. Die kann und muß man wie bisher manchmal einfach gehen lassen. In Zukunft wird man sich nun aber in einer stillen Ecke tränenreich gehen lassen können.
Die alte Trennung vom Auto – beim Auto fahren – wird uns nun leichter fallen. Ist das Auto dem Rad darin doch nun endlich gleichge-stellt. Also: Auch Substantiv und Verb werden jetzt konsequent getrennt geschrieben, wenn sie sich im Satz umstellen lassen: Auto fahren, Rad fahren, Schlange stehen, Not leiden. Und: Achten Sie dabei auf die neue Großschreibung: Man steht heutzutage nicht mehr kopf, sondern natürlich Kopf.
Schwerer wird es bei Adjektiv und Verb. Man schreibt sie getrennt, wenn man das Adjektiv steigern kann: Die Arbeit kann mir schwer fallen, sie kann mir sogar schwerer fallen als anderen. Schwärzer als schwarzfahren und kränker als krankfeiern kann man aber nicht: Das wird also weiterhin zusammengeschrieben.
Das alles sollte man nicht schwerer nehmen, als es ist. Meine SchülerInnen zumindest waren von den neuen Regeln leichter zu überzeugen, als ihnen zunächst lieb war. Es genügte ein kleines Diktat, um festzustellen, dass die neue Rechtschreibung für sie schon die alte ist.
Claudia Potthoff,
Gymnasium Kippenberg
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