: Die leidige Baumfrage Von Klaudia Brunst
Drei hart umkämpfte Adventssonntage hatte es seinerzeit gedauert, bis ich meine Freundin davon überzeugen konnte, daß ein Weihnachten ohne Tannenbaum quasi unmöglich ist.
Mein Argument, daß ich das von zu Hause so gewohnt bin, konterte sie, natürlich ganz p.c., sofort mit dem tragischen Waldsterben, zu welchem sie keinesfalls einen Beitrag zu leisten gedenke. Ein Totschlagargument. Als eine Woche später schon die zweite Kerze auf dem Adventskranz brannte (mit geflochtenen Tannenzweigen hat meine Freundin keine Probleme, das sei ein Abfallprodukt, meint sie), hatte ich endlich die passende Erwiderung gefunden: Ohne die vielen Baumschulen, die Jahr für Jahr ansonsten überflüssige Tannenbäume züchteten, argumentierte ich listig, wäre das Ozonloch sicher noch größer. Angeschlagen zog sich meine Freundin mit ihren Ökozeitschriften in die Küche zurück, um mir die Absurdität meiner Überlegung nachzuweisen.
In der dritten Woche gab sie sich dann allerdings geschlagen. Bei Öko-Test war immer besetzt gewesen.
Seitdem feiern wir das heilige Fest immer mit Baum. Unser erster war ein klassischer Zuspätkauf. Äußerst linkslastig, aber darum um so schöner. Sogar unsere Nachbarin kam am ersten Feiertag auf einen Sprung vorbei. Sie hatte den Lichterschein im Fenster gesehen und wollte sich jetzt selbst davon überzeugen, daß wir nun also absolut verspießert seien. Später war es aber doch noch sehr nett. Die Öko- Bienenwachskerzen verströmten so anheimelnd ihren Duft, daß sie schließlich sogar ihr Akkordeon rüberholte und wir gemeinsam Adventslieder sangen.
Als sich meine Familie im darauffolgenden Jahr um einen jungen Kater erweiterte, mußte die leidige Baumfrage allerdings neu diskutiert werden. „Und wenn der Kater jetzt in die Tanne springt“, triumphierte meine Freundin, „dann brennt am Ende das ganze Haus ab.“ Der zu Rate gezogene Fachverkäufer für Weihnachtsbäume empfahl für das kommende Fest eine „Nordmanntanne“. Die sei zwar etwas teurer („arschteuer“, fand meine Freundin), aber die spitzen Nadeln würden selbst den beklopptesten Kater davon abhalten, in die Spitze zu springen. Und außerdem nadele eine Nordmanntanne deutlich weniger — vorausgesetzt, man löse ein Aspirin in einem Glas Wasser auf und tränke den Baum jeden Abend. Alles, was er gesagt hatte, stimmte. Bis auf die Sache mit den Nadeln. Aspirin hilft wohl doch nur bei Kopfschmerzen.
Diesmal brachte unsere Nachbarin sogar ihre Freundin zum Singen mit, die einige etwas trockene Weihnachtskekse aus dem Paket ihrer Großtante beisteuerte. Alles in allem ein gelungenes Fest.
In diesem Jahr allerdings könnte es doch zu einem baumfreien Weihnachtsfest kommen. Dabei haben wir schon eine stattliche Nordmanntanne auf dem Balkon stehen. Aber die Anschaffung unseres Hundes war in Sachen Weihnachtsbaum ein kritischer Fehler. Kaum hatten wir den Baum probeweise im Wohnzimmer aufgestellt, stürzte das Tier nämlich in die Ecke und pinkelte einen See auf das gute Parkett. Leider ein Erfolg unserer Erziehung zum umweltfreundlichen Hund: Seit einer Woche weiß er nämlich endlich, daß man sich nur an Bäumen entleeren darf. Und wir waren so stolz auf ihn gewesen.
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