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■ Die längst überfällige Geschäftsidee: Stadtpläne für BetrunkeneMit dem Alk-Plan durch die Welt ins Bett

Völlig neue Wege geht in diesem Herbst der Hamburger Falk Verlag, dessen patente Falk-Pläne schon Generationen von Städtetouristen zur Verzweiflung, aber gelegentlich auch ans Ziel gebracht haben. „Das Problem“, sagt Verlagsleiter Raimund Köster, „ist uns seit längerem bekannt: Falk-Pläne werden hauptsächlich von Touristen gekauft. Aber was machen Touristen in einer fremden Stadt? Sie betrinken sich. Und ab 1,4 Promille ist die Handhabung eines Falk-Plans herkömmlicher Machart fast so kompliziert wie das Zusammensetzen von Ikealiegestühlen für Nüchterne.“

Männer von Welt und Frauen mit Stil werden wissen, worum es geht: Spätestens um 3 Uhr morgens tut sich zwischen einer Stadt und ihrem Gast etwas auf, das Anthropologen in Ermangelung genauerer Vokabeln als „Orientierungslücke“ bezeichnet haben. Das Weichbild schmilzt, die Immobilien bekommen Schluckauf, Straßenschilder verdoppeln sich bis zur Unleserlichkeit, und jeder Schritt führt in die Irre. Aus ist's nun mit dem lustigen Flanieren in der Manier des sattsam bekannten Vorzeigeflaneurs Walter Benjamin, der sich 1927 ff. in Paris bei seinen zahllosen Passagen-Exkursionen nie verlief, weil er als eingefleischter Blaukreuzler und Temperenzler weder auf Lunge rauchte noch auf Gehirn trank. Selbst mitten in der Nacht noch soll Benjamin sich damals in Paris als Rastelli im Umgang mit seinem zerfledderten Falk-Plan erwiesen haben. Gehört hat man aber auch schon von Menschen, die in ihrer eigenen Heimatstadt nach leichtem Alkoholgenuß für einen Fußweg von 200 Meter Luftlinie mehrere Stunden schmachvoll wirrer Tapserei benötigten.

Der zwischen Stadt und Mensch klaffenden Orientierungslücke hat der Falk Verlag jetzt den Kampf angesagt. Pünktlich zum Oktoberfest wird als Pilotnummer einer neuen Serie der „Alk-Plan München“ ausgeliefert, der erste Stadtplan für Betrunkene. Auf Planquadrate und Straßenverzeichnis hat man von vornherein verzichtet. Im Inneren des interaktiven Alk- Plans sind auf Monitoren jene elf Sehenswürdigkeiten abrufbar, die nach statistischen Erhebungen des Verlags von alkoholisierten Touristen am öftesten angelaufen werden: Frauenkirche, Ludwigskirche, Theatinerkirche, Siegestor, Rathaus, Glyptothek, Schloß Nymphenburg, Residenz, Bavaria, Maximilianeum und Fernsehturm. Über ein Promillemodul im Aluminiumrahmen des Alk-Plans passen sich die Objekte auf dem Monitor automatisch dem Verzerrungsgrad der Originale auf der Linse des Benutzers an. Hat er eins wiedererkannt, genügt eine Berührung des Monitors, und der Alk-Plan weist seinem Besitzer akustisch den Weg zum nächsten Taxistand: „Erste rechts, dritte links, an dem Stromkasten vorbei und dann immer geradeaus!“ Unterwegs wird der Alk-Plan-Nutzer von seinem High-Tech-Alk-Plan vehement angefeuert: „Du schaffst es, du schaffst es!“ – „Jetzt ist es nicht mehr weit!“ – „Halt durch, deine Minibar wartet auf dich!“

Der Falk Verlag hat bereits Alk-Pläne für alle deutschen Großstädte in der Schublade. Verlagsleiter Köster gibt sich optimistisch: „Wir warten jetzt erst einmal das Oktoberfest ab, und dann sehen wir weiter. Aber ich glaube, daß wir hier in die Marktlücke des Jahrtausends vorgestoßen sind. Gewaltiger Alk-Plan-Bedarf besteht besonders in den neuen Bundesländern. Gerade Magdeburg und Erfurt sind ja nüchtern überhaupt nicht zu ertragen. Und betrunken kann man sie erst recht nicht durchqueren. Ich glaube, in Magdeburg und Erfurt werden wir den größten Reibach machen...“

Für Irritationen im kritischen Dialog zwischen Deutschland und dem Iran hat die Ankündigung des Falk Verlags gesorgt, zur Jahreswende für westliche Diplomaten einen „Alk-Plan Teheran“ auf den Markt zu bringen. Auch der konzipierte „Alk-Plan Bagdad“ stößt auf Widerstand: Am vergangenen Montag ging bei der Deutschen Presse-Agentur das Bekennerschreiben einer Organisation namens Iraki Mohammed Miliz ein, die sich unaufgefordert zu einem Klebstoffattentat auf das Postfach des Falk Verlags bekannte.

„Wir hatten drei verschiedene Schlüssel für das Postfach, und die ersten beiden paßten nicht mehr“, sagt Raimund Köster schmunzelnd. „Aber einer ging noch rein.“ Gerhard Henschel

Den Alk-Plan München (34,80 DM) gibt es über den Falk Verlag, Pf. 800260, 21002 Hamburg

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