■ Die kleine Breitseite: Bombervögel und neue Asse aus dem Ärmel
Von einem Kabarettisten wird gemeinhin erwartet, daß er Tag und Nacht zur weltpolitischen Großwetterlage eine Pointe im Schilde führt oder wenigstens ein Bonmot einsatzbereit auf der Zunge bereithält.
Solange Monsieur Karadžić UNO, Nato und EU von Genf über Paris, Brüssel bis nach London an der Nase herumführen konnte, ließ sich noch problem- und folgenlos spotten: Was hat das vereinte Europa auf dem Balkan erreicht? Ein Flugverbot für serbische Panzer! Ein Europawitz, auf den über zwei Jahre lang Verlaß war. Für solche Maßnahmen war auch Rußland zu begeistern, aber damit ist es jetzt vorbei. Jelzin muß mit Rücksicht auf seine Innenpolitik außenpolitisch dagegenhalten und schlägt jetzt scharfe Töne an. Plötzlich ist die Rede davon, die Nato zünde mit ihrer geplanten Osterweiterung erneut die „Fackel des Krieges“ gegen Rußland an. Ist das wirklich nur, wie westliche Zeitungen mit leichtem Hohn vermuten, „Theaterdonner für den Hausgebrauch“? Hat sich Kohl in Moskau versichert, daß Miloševićs „Restjugoslawien“ stillhält? Frankreich nutzt auf Moruroa die Gunst der Stunde für weitere Atomtests mit eurostrategischem Pessimismus: Russische Wahlen sind wie russisches Roulett – irgendwann kracht es und dann hilft nur Abschreckung.
Deutschland hat sich mit einigem Geschick in diesen Krieg hineinmanövriert, es darf nach Jahren des Dementierens und der Heuchelei im Konzert der Großmächte mitspielen, ohne direkt auf Serben schießen zu müssen. Noch bleibt es Amerika vorbehalten die eigene Rüstungsindustrie anzukurbeln. Plötzlich spielt die Nato ganz groß auf: Nach den unabschießbaren deutschen Wundervögeln fliegt ein weiteres Trumpf-As aus dem Ärmel: Sea launched Cruise-Missiles mit dem schwungvollen Namen Tomahawk. Sie sollen der serbischen Führung klarmachen: Die Nato beschränkt sich nicht auf militärische Sanktionen, sie hat das Kriegsbeil ausgegraben. Krieg bleibt nicht nur die Fortsetzung einer – allerdings miserablen – Politik mit anderen Mitteln, er entwickelt eine ökonomische Eigendynamik, die kontinuierlich Öl ins Feuer gießt. Die Serben haben aus den Arsenalen des Kalten Krieges heraus Sarajevo beschossen, die Nato-Staaten nutzen die Gelegenheit, um ihrerseits Lagerbestände zu reduzieren. Aus dem Echo der Einschläge sind verschiedene Stimmen zu vernehmen.
Bild jubelt und druckt fett: „Raketen-Schlag! So entschlossen war die Nato noch nie!“ Der FAZ ist die amerikanische Präzisionswaffe keine Schlagzeile wert. Sie beschränkt sich auf die Wiedergabe von militärischen Informationen: „Marschflugkörper stellen lediglich ein anderes Mittel dar, Sprengkörper zu transportieren.“ Business as usual! Keine Eskalation – kein Kommentar. Der ist in der Tat schwer zu leisten, wenn man, wie zuletzt im Golfkrieg, alleine auf die Verlautbarungen der Militärs angewiesen ist. Die Nato operiert am Rande der Eskalation. Nach jahrelangem Taktieren gibt sie jetzt die Antwort auf die Frage nach ihrer Existenzberechtigung nach dem Zerfall des Warschauer Paktes. „Einen Krieg beginnen ist nicht schwer, ihn zu gewinnen aber sehr!“ reimt die SZ. Zweifel an der Vernichtungskraft der Nato? Ein unsicheres Schielen nach Moskau? Karadžić weiß was Saddam auch schon wußte, als sich die Kriegsflotte im Golf sammelte: Dieser Krieg kann nur von ihm selbst beendet werden. Matthias Deutschmann
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