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Die „gefährlichen Torheiten“ des VS

■ Saarländischer Innenminister kritisiert Expansionspläne des Kölner Verfassungschutzes in Richtung DDR / Warnung vor „Schnüffelstaat“

Berlin (taz) - Der saarländische Innenminister Friedel Läpple (SPD) hat die Expansionspläne des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) als „Ansammlung gefährlicher Torheiten“ bezeichnet. Wie berichtet beabsichtigt das BfV nach dem internen Protokoll einer Klausurtagung im Zuge der deutschen Vereinigung auf dem heutigen DDR-Territorium fünf neue Landesämter zu gründen und sich künftig als Staatsschützer auch den Bereich der „organisierten Kriminalität“ zu erschließen.

Die Vorschläge des Bundesamtes seien „durchgängig von der Absicht geprägt, dem Verfassungsschutz neue Aufgaben zuzuordnen, nachdem die politischen Veränderungen in der DDR und in Osteuropa nicht ohne personelle Reduzierungen beim Verfassungsschutz bleiben dürfen“, heißt es in einer gestern verbreiteten Erklärung des Ministers. Eine Abfuhr erteilt Läpple auch dem Ansinnen, das Bundesamt in ein „Amt für Innere Sicherheit“ umzutaufen und ihm die Kompetenz zur „Vorfeldbeobachtung“ des organisierten Verbrechens zu übertragen. Die vernichtende Kritik des Ministers: Wer die Aufgabe habe, die Verfassung zu schützen, sollte eigentlich wissen, daß für Fragen der inneren Sicherheit nach dem Grundgesetz in erster Linie die Länder und deren Polizeien zuständig sind. „Daran kann auch durch ein neues Türschild beim Bundesamt für Verfassungsschutz nichts geändert werden.“

Wenn die Kölner Amtsspitze im Bereich der organisierten Kriminalität den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln durch den Verfassungsschutz vorschlage, müsse die Frage gestellt werden, „ob das Bundesamt von allen guten Geistern verlassen sei“. Die Bekämpfung und Verfolgung von Straftaten sei Sache der Polizei und müsse dies bleiben. Wer die Aufgaben des Verfassungschutzes dahingehend erweitern wolle, „begibt sich in Gefahr, den Schnüffelstaat hervorzurufen“.

Am kommenden Freitag soll der Arbeitskreis 4 der Innenministerkonferenz zusammentreten, um über die Empfehlungen einer Expertenkommission (bestehend aus Vertretern des Bundesamtes und der Länder Bayern, Rheinland -Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Saarland) an die Länderminister zu beraten. Die Vertreter des Saarlandes wollen dann den Plänen der Kölner Bundesbehörde Widerstand leisten.

Eine der „gefährlichen Torheiten“ sieht Läpple auch in der Formulierung in dem VS-Papier, in der von „der noch nicht endgültig geklärten Grenzfrage“ mit Polen die Rede ist. Die mehrdeutigen Erklärung von Bundeskanzler Kohl und anderer Bundesminister zur Oder-Neiße-Grenze hätten offenbar nicht nur bei den Nachbarstaaten der Bundesrepublik, sondern auch in den „Bundesamtsstuben für Zwielicht und Desorientierung gesorgt.“

Auch den Überlegungen des BfV, in den noch zu bildenden Bundesländern in der DDR neue Landesämter zu errichten, kann Läpple nicht viel abgewinnen. Sein Urteil: „einfallslos vergangenheitsbezogen“, reichlich verfrüht und unüberlegt. Der Verfassungsschutz ziehe damit nur „unzureichende Konsequenzen aus den dramatischen Veränderungen in den osteuropäischen Staaten“. Der Innenminister des SPD -Kanzlerkandidaten Lafontaine zeigte sich dagegen überzeugt, daß in der DDR andere Probleme vordringlicher seien, als der Aufbau neuer Lauschzentralen nach bundesdeutschen Vorbild.

Wolfgang Gast

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