■ Stadtmitte: Die finanzpolitische Zeitbombe tickt
Wenn im Mai der Nachtragshaushalt vom Parlament beschlossen wird, ist die Verwaltung wieder handlungsfähig. Doch gelöst hat der Senat mit seinen Sparvorschlägen in Höhe von 1,3 Milliarden Mark so gut wie nichts. Insbesondere bei den Bauinvestitionen wird das Geldproblem nur in zukünftige Jahre verschoben. Das Bauprogramm der öffentlichen Hand wird gegenüber 1993 um 8,8 Prozent zurückgenommen – der Baubeginn für alle Kindertagesstätten und Grundschulen verschoben. Diese Kürzungen wie etwa bei der Wohnungsbauförderung entlasten den Haushalt aber nicht real, sondern verzögern den Tag der Abrechnung nur auf später.
Aber nicht nur, daß der Senat die Haushaltsprobleme vor sich her schiebt, er bittet auch noch mit zweierlei Maß zur Kasse. So wird weder das Messeausbauprogramm in Höhe von rund zwei Milliarden Mark spürbar abgespeckt noch die Finanzierung und das Risiko zu Lasten der Messegesellschaft umgestellt. Allein von diesem Geld ließen sich aber alle auf die lange Bank geschobenen Neubauten von Kitas und Schulen in diesem und in zukünftigen Jahren bezahlen.
Auch für die Berlin-Brandenburger Flughafenholding (BBF) wird das Geld verschwendet. 164 Millionen Mark wurden bereits als zinslose Darlehen gewährt. Jetzt will die BBF diese auch noch in Verlustzuschüsse umgewandelt haben, da sie sich bei dem Erwerb von Ackerland für den Flughafen Schönefeld verspekuliert hat. Zum Vergleich: Acht Millionen Mark kostet eine Kita.
Andererseits hat die CDU/ SPD-Regierung bei Lehr- und Lernmitteln sowie bei Projektzuwendungen in allen sozialen Bereichen kleinteiliges Sparen verordnet. Die Sozialverwaltung muß mit 7,37 Prozent weniger auskommen, der Etat der Innenverwaltung und damit der Polizei wird nur um ein Prozent gekürzt.
Die Große Koalition hat in ihren vier Amtsjahren relevante strukturpolitische Veränderungen unterlassen. Erst mit einer betriebswirtschaftlich fundierten Verwaltungsreform sowie einer völligen Umstellung der Wohnungsbaufinanzierung würden strukturpolitisch notwendige Breschen geschlagen – mit der Aussicht, die finanzpolitische Zeitbombe ständig steigender Staatsverschuldung zu entschärfen. Die Schuldenlast allein aus der Wohnungsbauförderung steigt von 33,4 Milliarden Mark im Jahr 1992 auf 61 Milliarden im Jahr 1997. Die Verschuldung des Landes – ohne Wohnungsbauschulden – erreicht in diesem Jahr ein Volumen von 38,5 Milliarden und wird 1997 rund 50 Milliarden betragen. Jeden Tag müssen an Zinsen sechs Millionen Mark für die Landesschulden und sieben Millionen Mark für die Wohnungsbauschulden verausgabt werden. Mit dieser langfristig wirkenden Schuldenlast wird jede politische Kraft in Zukunft zu kämpfen haben.
Deshalb gehört zur Bekämpfung des Schuldenanstiegs auch die Entscheidung, dem Land zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Die Erhöhung des Grundwasserentnahmeentgeltes gehört genauso dazu wie eine Verkehrsinfrastrukturabgabe für Investoren, das Parkraumbewirtschaftungskonzept mit Umweltkarte, die Vermietung aller Stellplätze der Verwaltung, die sofortige Erhebung einer auf das gesamte Stadtgebiet neu berechneten Konzessionsabgabe von Gasag und Bewag. Doch diese Vorschläge will der Senat entweder noch nicht oder überhaupt nicht umsetzen. Die Große Koalition betreibt keine problemadäquate Stadtpolitik, sondern einigt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Peter Sellin
Der Autor ist Mitarbeiter für Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (AL/UFV).
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