: Die doppelte Null-Lösung
■ Elternverein bezeichnet Nachbesserungen des Senats zu Nullscheinen als „üblen Trick“ und wittert Kalkül
Wer erhält die Nullscheine für einen Kindergartenplatz? Um diese Frage gibt es wenige Wochen vor Inkraftreten des neuen Elternbeitragsgesetzes immer noch Unklarheit. Der Hamburger Elternverein „Familien Power“ bezeichnete gestern die vom Senat anvisierte Lösung als „Fortsetzung des Skandals mit unlauteren Mitteln“. Künftig, so der Vereinsvorsitzende Matthias Taube, würden statt bisher 15 Prozent nur noch maximal 1,5 Prozent der Familien von dem 50-Marks-Mindestbeitrag befreit werden. Dies sei bei Gesprächen deutlich geworden, die er mit dem zuständigen Abteilungsleiter im Amt für Jugend, Jürgen Näther, geführt habe.
Wie die taz berichtete, ist es bisher gängige Praxis, die Kinder von Sozialhilfeempfängern von den Gebühren für einen Halbtagsplatz zu befreien. Da dieser Mindesbetrag ab August von 80 auf 50 Mark gesenkt wird, sah es zunächst so aus, als sollten die betroffenen Familien dies künftig zahlen. Nach öffentlichen Protesten brachten die Jugendpolitiker der SPD-Bürgerschaftsfraktion einen Kompromiss auf den Weg, der vorsieht, dass Familien mit einem Einkommen unter 2000 Mark auf Antrag den Beitrag auf 30 Mark senken und „bei Bedarf auf Null gesetzt werden können“, wie es der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer formuliert.
Taube bezeichete dies gestern als „üblen Trick“: Auch die abgesenkten 30 Mark würden das Budget der betroffenen Familien zu stark belasten. Darüber hinaus bekämen künftig nur noch die Kinder von „amtsauffälligen“ Familien einen Nullschein. Bedürftige, die dieses Kriterium nicht erfüllen, würden so um ihren Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gebracht. „Das Wort amtsauffällig habe ich nie gebraucht“, wehrt sich Näther. Wohl aber solle es die Scheine nur „im Ausnahmefall“ geben, wenn „finanzielle und sozialpädagogische“ Gründe zusammentreffen.
Familien Power vermutet Kalkül hinter der Neuregelung. Da ohnehin in der Regel nur ein Ganztagsplatz sinnvoll ist, wenn denn sozialpädagogische Gründe für eine Kita-Einweisung sprechen, rechnet Taube damit, dass die Abschaffung der Nullscheine einen Abbau von 2000 Halbtagsplätzen zur Folge haben wird. Der Senat könne damit jährlich 18 Millionen Mark sparen.
Taube machte gestern einen eigenen Vorschlag: Statt der Netto-Einkommen solle künftig das „verfügbare Einkommen“ als Grundlage dienen – das „was die Familien nach Abzug von Miete und anderen Kosten „bar in der Tasche haben“. Dann sei einer Familie, die beispielsweise 500 Mark pro Person hat, ein Mindestbeitrag zuzumuten. Unter 350 Mark gäbe es automatisch einen Nullschein. Kaija Kutter
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