: Die blaue Armee geht voran
Der Fußball in Asien entwickelt sich in verschiedene Richtungen. Die Gastgeber orientieren sich an westlichen Standards, China und Saudi-Arabien scheitern mit einer Strategie der Abschottung
von MARTIN HÄGELE
Als sich die Delegation südkoreanischer Journalisten im Pressezentrum des Saitama-Stadions von ihren Plätzen erhob, ging ein Klatschen durch den Saal. Spontaner Beifall aus Japan für die Kollegen, die zuvor gejubelt hatten über deren 2:0-Erfolg gegen Polen. Ein Resultat, das nun in den Geschichtsbüchern Südkoreas steht: nach 48 Jahren Warten, 15-mal Frust, endlich der erste Erfolg bei der sechsten WM-Teilnahme.
Dies war die Krönung des Asien-Tages bei diesem Turnier, der mit der 0:2-Niederlage von Debütant China gegen Costa Rica ähnlich deprimierend begonnen hatte, wie das die Fußballfreunde in Fernost gewohnt waren. Dazwischen hatten sich die japanische „Blue Army“ und ihr Heer von Anhängern gegen das vermeintliche Schicksal gestemmt. Nach Inamotos famosem 2:1 schien die blaue Riesenschüssel in die Luft zu fliegen. Auch wenn diese Begeisterung eine andere Form angenommen hat als in den traditionellen Fußball-Ländern. Mit der „Beatles-Manie“ der Sechzigerjahre hat Andy Roxburgh jene fast aggressionsfreie Festivalatmosphäre verglichen, von der nun alle Beobachter fasziniert sind. Der ehemalige schottische Nationalcoach verfolgt als Direktor einer gemeinsamen Task-Force von Fifa und Uefa weltweit Spiele. Roxburgh gehört zu den wenigen Beobachtern, die vom sportlichen Aufschwung der Gastgeber nicht überrascht wurden.
Obwohl auch die Länder des Orients zur Asiatischen Konföderation (AFC) gehören, möchten Koreaner und Japaner, aber auch die Chinesen mit den Verbänden aus den Golfstaaten nicht viel zu tun haben. Nur auf dem Papier wird der Einzug der Saudis ins Achtelfinale beim World Cup in USA als größter Fortschritt eines Asien-Vertreters verbucht. Aber nun hat man Angst, mit ihnen über einen Kamm geschoren zu werden. Das 0:8 könnte auch als Blamage der gemeinsamen asiatischen Angelegenheit betrachtet werden, befürchtete die Japan Times.
Die Angst, das Gesicht zu verlieren, hat sich über Jahrzehnte hinweg vom Morgenland bis zum Pazifik fortgepflanzt. Weshalb in diesen Regionen Männer gebraucht werden, denen sich Verantwortung aufladen lässt: Guus Hiddink, Trainer der Südkoreaner, der Franzose Philipp Troussier (Japan) und Bora Milutinovic (China). Andererseits funktioniert Fortschritt im Fußball nur über Annäherung.
Der saudische Betreuer Nasser Al Johar ist zwar zu „Asiens Trainer des Jahres“ gekürt worden, vom großen Fußball aber sind er und sein geschlossener arabischer Fußballzirkel weit weg. Und bei den Chinesen machte sich die politische Kehrtwende, die in der Fernsehwerbung die Gesichter ausländischer Sport- und Movie-Stars verbietet, bemerkbar. Bora Milutinovic hin und her; zuletzt hatte sich Chinas Fußball wieder in die Isolation zurückgezogen, und entsprechend verschüchtert haben sich die Kicker gegen Costa Rica verhalten.
Wer in diesem harten Wettbewerb vorwärtskommen will, darf nicht länger in alten Rastern, sondern international denken. In diesem Sinne war die Ovation der japanischen Journalisten für die Kollegen und deren Team aus Seoul ein kleines, aber symbolisches Zeichen für Fortschritt und Vernunft.
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