■ Die außenpolitische Großoffensive der US-Regierung gegen den Iran erscheint wie eine Drohgebärde ohne jeden Biß: Die Verbündeten in Ost und West erteilten der Aufforderung, den Iran wegen seiner...: Embargo-Vorstoß gilt auch Moskau
Die außenpolitische Großoffensive der US-Regierung gegen den Iran erscheint wie eine Drohgebärde ohne jeden Biß:
Die Verbündeten in Ost und West erteilten der Aufforderung, den Iran wegen seiner Atompolitik zu boykottieren, eine Absage
Embargo-Vorstoß gilt auch Moskau
Die Rhetorik klang wahrlich bedrohlich: Was Ronald Reagan einst in der Sowjetunion und George Bush im Irak verorteten, hat Bill Clinton nun im Iran entdeckt: „Das Böse“ schlechthin, das alle Wachsamkeit und Gegenwehr der USA erfordert. Kein Handel mehr mit dem „Initiator und Zahlmeister“ internationaler Terroristen, so lautete Clintons Botschaft am letzten Sonntag bei einer Versammlung des World Jewish Congress in New York. Einen Tag später blies US-Außenminister Christopher in das gleiche Horn, geißelte den Iran als „Outlaw“, der jährlich Hunderte von Millionen Dollar für den internationalen Terrorismus ausgebe und dem der Zugang zu Atomwaffen verwehrt werden müsse. Mit Unterschrift des Präsidenten wird also in wenigen Wochen ein US-Embargo gegen den Iran in Kraft treten. Andere Länder, so forderte Christopher, sollten sich dem US-Vorstoß anschließen.
Doch was da in Washington als außenpolitische Großoffensive gegen das vermeintliche Superfeindbild – islamische Fundamentalisten mit Atomwaffen – verkauft wird, erscheint auf den zweiten Blick wie eine Drohgebärde ohne jeden Biß: Die westeuropäischen Verbündeten erteilten der Aufforderung zum Schulterschluß eine klare Absage; Kanada, Japan, China und Rußland machen ebenfalls keinerlei Anstalten, sich dem Embargo anzuschließen.
Für den Iran halten sich die Folgen der US-Sanktionen also in Grenzen: Für das Rohöl im Wert von vier Milliarden Dollar, das bislang an US-Firmen verkauft wurde, finden sich andere Abnehmer. Die betroffenen US-Ölkonzerne wiederum hatten in Erwartung der Embargo-Ankündigung mehrere Wochen Zeit, um ihre Einkaufspolitik umzustellen. Auf die Benzinpreise in den USA hat dieser Schritt keine unmittelbaren Auswirkungen: US-Firmen haben sich zwar in den letzten Jahren wieder zum größten Abnehmer von iranischem Rohöl entwickelt, doch der Import von iranischem Rohöl in die USA ist seit langem verboten. US-Konzerne durften iranisches Öl lediglich im Ausland weiterverkaufen. Einbußen werden allerdings US-Exporteure von Weizen sowie Industriegeräten verzeichnen müssen. Einige tausend Arbeitsplätze, so die US-Regierung, seien gefährdet.
Es bleibt also die Frage, was die Clinton-Regierung bewogen haben mag, ein Embargo anzukündigen, das einerseits schnell als wirkungslos entlarvt sein würde, andererseits aber das politische Risiko barg, einen eher pragmatischen Ansatz im Umgang mit islamischen Regierungen und Organisationen zu pflegen. Antwort findet, wer die primären Adressaten der Clinton-Regierung in der Iran- Politik nicht in Teheran, sondern in Washington und Moskau sucht.
Das zentrale innenpolitische Motiv des Embargos ist der Versuch, einem Gesetzentwurf im US- Kongreß zuvorzukommen, der nicht nur ein Handelsembargo des Iran durch US-Firmen festschreiben, sondern auch US-Handelsbeziehungen mit Nicht-US-Firmen unterbinden will, die weiterhin Geschäfte mit dem Iran machen. Ein solcher Schritt dürfte das Verhältnis zu den EU-Mitgliedsländern, Japan oder Kanada weitaus gravierender beeinträchtigen, als es der Streit um das Iran-Embargo in den letzten Tagen getan hat. Ganz offensichtlich hat das Clintonsche Manöver den Verfechtern dieses Gesetzentwurfs bereits einigen Wind aus den Segeln genommen.
Zentrales außenpolitisches Motiv der Clinton-Regierung ist es, zu verhindern, daß der Iran in den Besitz von Atomwaffen kommt. Der Plan der russischen Regierung, an Teheran nicht nur zwei Atomreaktoren, sondern auch eine Anlage zur Anreicherung von waffenfähigem Uran zu verkaufen, hat – neben dem Krieg in Tschetschenien – in den letzten Wochen zu wachsenden Verstimmungen zwischen Moskau und Washington geführt. Offensichtlich will die Clinton-Regierung mit ihrer Embargo-Ankündigung für den bevorstehenden Moskau-Besuch des US-Präsidenten signalisieren, daß Washington im Umgang mit dem Iran nicht nur von anderen Ländern Opfer verlange. Seit Dienstag zeichnet sich ab, daß Clintons Kalkül aufgehen könnte: Zwar besteht Rußland nach wie vor darauf, die beiden Atomreaktoren zu liefern. Doch auf die Anreicherungsanlage wird das Regime in Teheran aller Voraussicht nach verzichten müssen. Andrea Böhm, Washington
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