■ Querspalte: Die armen Hostessen
Vorgestern wollte mein Schwiegervater einen Computer kaufen. Für die Firma. Sein Chef hatte zu ihm und einem Kollegen gesagt: Geht mal und kauft so ein Ding. Mein Schwiegervater versteht allerhand von Zündanlagen. Sein Kollege hat schon mal einen Monitor gesehen.
Wir telefonierten ein wenig. Danach wollte mein Schwiegervater erst einmal keinen Computer mehr kaufen. – Vor einigen Wochen hatte er mich etwas verunsichert gefragt, ob man „so was wie Internet nicht brauchen“ könnte. Die zahllosen Schlagzeilen, die auf „... goes online“ enden, hatten ihr Werk getan. Man könnte mit „Bekannten in Australien zum Ortstarif chatten“. Sehr schön. Mein Schwiegervater hat Bekannte in Bad Sülze.
Leider verzichten „Trauben von Männern“ (taz) auf meinen Rat, stranden folgerichtig als hilflose Personen auf der CeBIT in Hannover, zahlen einen Heideneintrittspreis und lassen sich dann „von oft genug übermüdeten Hostessen“ erklären, „wie man denn nun reinkommt ins Netz der Netze“. Auf einer Fachmesse! Von Hostessen! Vorige Woche waren wir mit einem anderen Paar, sie Erzieherin, er Möbelmonteur, im Tierpark: „Mein Mann kocht und wäscht ab“, sagte sie vorm Elefantenhaus. „Siehst du, siehst du!“ klagte meine Gattin mich an. – „Deiner kennt sich wenigstens mit dem Computer aus“, versuchte die Erzieherin mich zu retten. Der Monteur nickte mir anerkennend zu. Er versorgt seine Familie mit warmen Speisen. Ich mißbrauche Schaltkreise für infantile Metzelspiele. Welch ein Vergleich!
Auch mein Freund Alex bringt allerlei bewundernde Ausrufe aus, wenn ich ihm und seiner EDV nur jederzeit zu Willen bin. Als ich letzten Sonnabend seine Festplatte entlause, haucht er romantisch: „Ich bewundere dich!“ Natürlich lügt er. Er will bloß schnellstmöglich wieder seine ambitionierten Texte in den Rechner hacken und in diesen Schriften schamlos damit kokettieren, daß ihm der ganze Hype scheißegal ist. Das ist zwar gemein mir gegenüber, aber immer noch besser, als meinte er es ehrlich. André Mielke
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