: Die andere Seite des Tigers: Das Ende einer politischen Erfolgsstory
Wenn ein südkoreanischer Präsident – und sei es auch nur ein ehemaliger – dahin getrieben wird, den eigenen Gesichtsverlust öffentlich zu inszenieren, dann ist die erst acht Jahre alte Demokratie des Landes wohl erneut einen großen Schritt vorangekommen. Tatsächlich ist Roh Tae Woo heute der erste südkoreanische Staatschef, der für seine illegalen Taten Rechenschaft ablegen muß.
Und das keinesfalls aus eigenem Antrieb: Erst nachdem ihn der Vorsitzende seiner eigenen Partei nachdrücklich zur Klärung der Verhältnisse aufgefordert hatte und der Öffentlichkeit die schwersten Vorwürfe gegen Roh bereits von der Staatsanwaltschaft mitgeteilt wurden, trat der Ex- Staatschef vor die Kameras.
Sein tränenverschmiertes Gesicht zeigte der Welt Südkorea von einer unbekannten Seite. Vor allem im Westen wird die Geschichte vom „ersten Tiger Asiens“ nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch politische Erfolgsstory erzählt. Daran trägt der Ex-General Roh Tae Woo großen Anteil, obwohl er 1987 nur als Marionette des damaligen Diktators Chun Doo Hwan galt.
Roh gefiel die Rolle des Begründers eines demokratischen Südkorea von Chuns Gnaden. Und die SüdkoreanerInnen erklärten ihn bei den ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen 1987 zum überraschenden Sieger. Besonders gegenüber dem Ausland machte Roh eine gute Figur: Er begriff als erster asiatischer Staatschef die neuen Regeln nach dem Ende des Kalten Krieges. So wurde Südkorea unter Roh endlich auch zum angesehenen politischen Partner des Westens.
Sein diktatorisches Erbe kommt nun ganz überraschend zum Vorschein. „Geld sowohl an Freunde als auch an Feinde zu verteilen hat in der koreanischen Politik lange Tradition“, sagte ein Berater Rohs. Ob der erste „zivile“ Präsident Südkoreas, Kim Yung Sam, diese Tradition selbst beherzigt oder mit ihr brechen will, wird sich nun zeigen.
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