Die alpine Skisaison beginnt: Brutale Schnelligkeit
Ab Samstag steigen die Alpinen in die Skistiefel. Nicht nur auf dem Gletscher von Sölden - in der ganzen neuen Saison wollen Maria Riesch und Felix Neureuther vorn dabei sein.
MÜNCHEN taz Der Tag hat für Maria Riesch und Felix Neureuther ein bisschen länger gedauert als für ihre Teamkollegen. Da noch ein Interview hatten sie zu geben, das fünfte oder sechste, hier war noch ein Fototermin zu absolvieren. Längst hatte sich die Empore im Besucherforum eines Autobauers aus Ingolstadt bis auf ein paar Funktionäre des Deutschen Skiverbandes geleert - und bis auf die beiden vielbeschäftigten Athleten aus der alpinen Abteilung. Die als Einkleidung verkaufte Medienveranstaltung des Skiverbands, die traditionell eine Woche vor den ersten Weltcup-Wettbewerben stattfindet, gibt stets Aufschluss darüber, wer gefragt ist.
Am Wochenende beginnt die alpine Skisaison mit zwei Riesenslalomrennen im österreichischen Sölden. Am Samstag starten die Frauen, die Männer am Sonntag. Live zu sehen allerdings wird das in Deutschland nicht sein. Kein Wunder: Deutsche Erfolge auf schneebedeckten Hängen waren zuletzt eher dünn gesät. Aber auch vom Auftakt der in den letzten Jahren ungleich erfolgreicheren Langläufer, die ebenfalls am Wochenende in Düsseldorf in den Weltcup-Winter starten, werden keine Live-Bilder gesendet. Denn die TV-Sender, bei denen die Rechte liegen, haben entschieden, nicht direkt zu übertragen. Das könnte tatsächlich auf Dauer so bleiben, denn die TV-Rechte-Situation ist weiter ungeklärt. Infront, an den der Deutsche Ski-Verband die Rechte ab November verkauft hat, kann die Rennen nicht an Fernsehsender weiterverkaufen, weil der alte Rechte-Inhaber RTL auf eine Vertragsklausel pocht, die eine Art Vorkaufsrecht garantieren soll. Nun fehlt dem DSV das Geld. Alle Trainingsmaßnahmen unterhalb der Weltcup-Ebene wurden ausgesetzt, und einige Spitzenathleten, die bislang noch nicht direkt von den prekären Finanzen betroffen sind, denken über Prämienverzicht nach
Das Interesse an Neureuther und Riesch war dieses Mal nicht geringer als das an den erfolgreichen Biathleten mit ihrer Skijägerin Magdalena Neuner. Und vermutlich lag dies nicht nur daran, dass die Saison für die Alpinen früher beginnt, schon an diesem Wochenende, mit den beiden Riesenslaloms auf dem Gletscher hoch über Sölden. Maria Riesch und Felix Neureuther sind die Aushängeschilder der deutschen Alpinen. Sie tragen die Hoffnung auf eine Rückkehr der Sportart ins deutsche Rampenlicht.
Das Interesse der Fernsehanstalten an der teuren Übertragung von Skirennen hält sich derzeit ja in Grenzen, und das hat nicht alleine mit den ungeklärten TV-Rechten und dem Zwist des DSV mit dem Privatsender RTL zu tun. "Das kann man nur mit guten Leistungen kontern", sagt Neureuther, einziger deutscher Starter beim Männer-Riesenslalom am Sonntag. Viele Jahre war Neureuther vor allem wegen seines berühmten Namens ein Star, nicht wegen herausragender Leistungen.
Es dauerte, bis der Hochtalentierte die richtige Linie zwischen den Torstangen fand. In der vergangenen Saison hat er den erwarteten Sprung gemacht. Zweimal landete er im Slalom auf dem Podest, bei der WM in Are schied er mit einer Medaille vor Augen im zweiten Durchgang aus. Mit neuem Cheftrainer - Christian Scholz löste den Österreicher Werner Margreiter ab - und neuem Technikcoach peilt er nun in dieser Saison den nächsten Karriereschritt an. "Ich war Dritter und Zweiter, ein Stockerl weiter oben fehlt mir noch." Ein Sieg, sagt der Dreiundzwanzigjährige, "das wäre ein Traum."
Diesen Traum hatte sich die gleichaltrige Maria Riesch schon vor gut drei Jahren erfüllt, ehe sie zwei Kreuzbandrisse gebremst haben. In der vergangenen Saison gelang ihr ein furioses Comeback, ein Sieg gleich in einem der ersten Rennen nach der Zwangspause sprang heraus. Maria Riesch weiß den Abfahrtserfolg von Lake Louise im vergangenen Dezember richtig einzuschätzen. Es war nur ein glücklicher Beginn, es folgte die erwartet schwierige Saison. Dieser erste Platz war mehr Bürde als Befreiung. Schwer schleppte sie daran den ganzen Winter über, weil die nach so schweren Verletzungen üblichen Mechanismen griffen. Eine Blockade im Kopf bremste sie auf der Piste. Sie suchte Gründe dafür und fand sie einmal in den schlechten Sichtverhältnissen, dann wieder in der Pistenpräparierung. Am Ende des Winters hat Maria beschlossen, sich damit nicht länger zu befassen. Sie nahm die Bedingungen, wie sie kamen, "denn man kann sowieso nichts ändern". Sie wurde Abfahrtsvierte beim Weltcup-Finale in Lenzerheide und sah ihr Etappenziel erreicht. "Die Comeback-Saison ist vorbei", sagt sie. "Ich kann wieder mit mehr Selbstvertrauen und Coolness fahren." Vor allem in den schnellen Disziplinen. "Da ist es für mich sicher einen Tick einfacher als im Slalom und Riesenslalom." Es ist ganz gut, dass da andere in die Bresche springen können.
Maria Riesch ist freilich nicht allein im Kampf um Podestplätze, denn der Generationswechsel ist vollzogen, und es gab schon in der vergangenen Saison erste Anzeichen, dass es bald eine neue, erfolgreiche Ära geben könnte. Kathrin Hölzl hatte im letzten Saisonrennen zum ersten Mal den Sprung aufs Podest geschafft und gehört nun zu den fünf besten Skirennläuferinnen in dieser Disziplin. Die Berchtesgadenerin ist deshalb am Samstag die aussichtsreichste der vier deutschen Starterinnen. Im Training wurde ihr bisher nur eine gefährlich, die gerade 18 Jahre alt gewordene Viktoria Rebensburg. "Die ist brutal schnell", sagt Cheftrainer Mathias Berthold, aber scheidet eben manchmal auch brutal schnell aus. Maria Riesch landete meistens knapp dahinter. Die Nummer eins ist manchmal nur die Nummer drei.
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