Die allerletzte kolumne: Auf Wiedersehen, hasta la vista, adeus aus Lissabon
Von der ersten taz-Kolumne an wollte ich Abstand suchen von dem, was ich in Deutschland jeden Tag sehe. Zwei Jahre lang war ich hier „Zu Hause bei Fremden“ – heute reihe ich diese vierundzwanzig Monate und fünfzig Beiträge in losen Sätzen chronologisch zu einem einzigen Text aneinander.
Ich wollte nie „meinen Frieden mit Deutschland schließen“. Diese Kolumnen sind keine Arkade für einen Spaziergang. Sie sind mein Spießrutenlauf, durch den ich Deutschland verlasse.
Als „Pegida“ der ersten Stunde gegen die Idiotisierung des Abendlandes beobachtete ich ein Land vom Ordnungsdenken besessener Menschen in ständiger Paranoia, die, um ihre Ängste zu überwinden, eine eigene Wirklichkeit fabrizieren. Jetzt beende ich meinen Angstkurs in Deutschland. Im Süden sind die meisten meiner Freunde arbeitslos oder schon ausgewandert, verwertbar wie portugiesische Fabrikarbeiter und spanische Altenpfleger, menschlicher Treibstoff für die deutsche Wirtschaft. Deutschland scheitert an einer überzogenen Selbstwahrnehmung und führt einen wirtschaftlichen Flächenkrieg in Südeuropa.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hätte nach der Niederlage Athens eigentlich irgendetwas sagen müssen wie „Noch so ein Sieg, und die EU ist verloren“. Denn beim Sparspagat nach Turnvater Schäuble renken sich die Menschen in den Krisenländern die Beine aus. Leider bewahrheitet es sich: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, doch Berlin droht unbeirrt weiter.
Regeln müssen eingehalten werden.
Die deutsche Regierung besteht darauf, sich in die Politik des Südens einzumischen.
Leider beträgt jetzt schon der gespürte Anteil der AfD-Wähler in Deutschland ca. 33 Prozent. Zwischen dem Einzelnen und den Machtzentralen verschwindet der Mittelbau, und der leere Raum füllt sich mit neuen Anhängern alter rechtslastiger Parolen. Statt solidarischer Politik nur Mogelpackungen: Alle sechs Monate wurde ich zu einem Kamingespräch oder einem Europadialog mit einem Minister eingeladen, um mich für „Rettungsschirme“ und „Hilfsmilliarden“ bedanken.
Erst fünf Minuten ist es her, dass hier Bücher verbrannt wurden. In Deutschland wird die Pressefreiheit nur von zwei Seiten infrage gestellt: von links und von rechts, und beide Perspektiven sind leider fundiert. Aus alten Linken werden neue rechte Menschen, verloren gehen Menschenrechte.
Was in Europa passiert, interessiert nicht, wenn es keinen direkten Bezug zu Deutschland hat. Korrupte Manager sind jetzt in Deutschland salonfähig, bald sind es auch die Politiker. Eine CDU-AfD-Koalition wird dann ein akzeptables Szenario. Der Bundesfinanzminister will einen deutschen Islam. Der Unionsfraktionschef sieht Facebook als Hauptgrund für das überhitzte Gewaltklima. Das Grün ist nicht mehr so grün und das Rot, seine politischen Pigmente aushauchend, schimmert nur noch schwach rosa. Deutschland verblasst, und die Krise in Südeuropa ist nicht bewältigt. Deutschland arbeitet mit seiner Politik hart daran, Europa auseinanderbrechen zu lassen.
Mittlerweile bin ich wieder in Lissabon. Der taz danke ich sehr, dass ich mich auf meine Orangenkiste stellen und für das taz-Publikum berichten durfte. Meine taz-Leser lade ich einzeln zu einem Glas Wein in Lissabon ein, wenn sie der deutschen Tretmühle entkommen wollen. Ich werde weiterhin mit allen Schreibfingern in alten und neuen Wunden stochern. Und wer „Zu Hause bei Fremden“ weiterlesen und zukünftig alle zwei Wochen unentgeltlich als Newsletter bekommen will, kann ab sofort eine E-Mail an miguelszymanski@gmail.com schicken oder meine Autorenseite zuhause-bei-fremden.blog besuchen. Am 1. Januar geht es los.
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zu hause bei fremden
VonMiguel Szymanski
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