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Die Zukunft leerstehender KirchenGöttlicher wohnen

In Hemelingen steht eine Neuapostolische Kirche zum Verkauf. Eine Zukunft als privates Wohnhaus erscheint nicht unwahrscheinlich - und für alle Beteiligten als unproblematisch

Hier könnte Ihr Sofa stehen! Ehemals Neuapostolische Kirche in Bremen-Hemelingen Bild: Jan Zier

Aus der Sicht des Maklers ist das Objekt 48.564.461 schon ein "Einfamilienhaus". Wenigstens wird es von ihm als solches gehandelt. Das zumindest scheint etwas voreilig. Indes wahrscheinlich. Die Küche könnte beispielsweise in der alten Sakristei Platz finden, das Sofa etwa dort, wo jetzt noch, leicht erhöht, ein schmuckloser Holztisch steht, an der Rückseite eines lichten, sehr hohen Wohnzimmers. "Gott ist Liebe" steht momentan noch daran geschrieben. Es ist der Altar einer Neuapostolischen Kirche in Bremen-Hemelingen. Oder besser: es war.

Das Kirchengebäude ist von seiner Funktion als Gotteshaus "entbunden", wie es offiziell heißt. Und steht jetzt zum Verkauf, seit einem guten Monat. Mehr als 270 Quadratmeter potenzielle Wohnfläche, zuzüglich fast 1.000 Quadratmeter Gartengrundstück, alles in allem für 109.000 Euro. Die Liste der InteressentInnen, bedeutet der Makler, sei lang. Obwohl die Kleine Westerholzstraße nicht eben das ist, was man eine "bevorzugte Wohnlage" nennt. Die Bahnstrecke nach Osnabrück ist noch in Hörweite, das Autobahnkreuz an der A 1 nicht weit. Auch nicht all die Flieger, die am Flughafen Bremen starten und landen.

Etwas mehr als 40 Jahr ist es her, dass die Neuapostolische Kirche (NAK) diesen Rotklinkerbau mit seinen bunten Glasbausteinen hat errichten lassen. Doch nunmehr wurden drei Gemeinden zusammengelegt, die gemeinsam gut 340 "Geschwister" zählen - und für sie wurde eine neue Kirche in Sebaldsbrück gebaut. Zwei Kirchen sind seither, nun ja, überflüssig, am Alten Postweg im Hastedt sind auch schon vor längerem vier Wohnungen in einer Neuapostolischen Kirche entstanden. Und das sei auch "unproblematisch", sagt der Sprecher der NAK Norddeutschland, Rolf Carl.

Bei den Protestanten nicht. Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann etwa sprach sich jüngst wieder "entschieden" gegen den Verkauf von Kirchen aus. "Die geprägten Sakralräume sollten wir nicht preisgeben." Auch wenn schon Luther gesagt habe, Kirchen seien keine heiligen Räume.

Der Makler der NAK versichert hingegen immer wieder, die Kirche würde es "sehr begrüßen", wenn dort fortan gewohnt würde. Der Gemeindevorsteher der Neuapostolen mochte sich zunächst nicht öffentlich äußern - ihm fehlte dazu das Plazet seines Apostels. Manchen gilt die NAK - mit bundesweit 370.000 Mitgliedern die drittstärkste christliche Einzelkirche - ohnehin noch als eine Art autoritäre Sekte. Traditionell war die NAK eher abgeschottet, erst in den letzten Jahren setzte langsam eine Öffnung nach außen ein. Auch die Pastorin der benachbarten evangelischen Gemeinde in Hemelingen kennt niemand von den Neuapostolen. "Die sind immer sehr für sich." Offiziell hat die NAK den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und Bürgermeister Henning Scherf gab für sie einst sogar einen offiziellen Empfang im Bremer Rathaus.

In Bremen hat sie über 80 Gemeinden mit gut 10.000 Mitgliedern, norddeutschlandweit wird mittlerweile etwa einmal im Jahr eines ihrer Gotteshäuser verkauft, sagt Carl. Meist an Privatleute - aber auch eine Umwandlung in eine Moschee sei durchaus denkbar. In Berlin ist das bereits passiert. "Grundsätzlich ist es uns lieber, wenn es ein Bethaus bleibt", sagt Carl. Ortsamtsleiter Ullrich Höft fürchtet zwar - ebenso wie Teile der neuapostolischen Gemeinde selbst - dass die Leute in Hemelingen damit "ein bisschen Probleme" hätten. Auch müsse man in einem solchen Falle noch einmal "intensiv" über den Autoverkehr, die Stellplätze in der umliegenden Wohnsiedlung nachdenken, so Höft. "Aber sicherlich würde man mit einer Moschee leben können." Und aus der Kirche ein Einfamilienhaus zu machen, dagegen sei ohnedies nichts einzuwenden, auch planungsrechtlich. Nur eines werde man "massivst ablehnen": Eine Gewerbenutzung. Also kein Bordell, kein Restaurant, kein Supermarkt. "Das", sagt Höft, "ist ausgeschlossen."

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