: Die Würde der Amtspfähle
■ Andreas („Hosen runter!“) Wegner fand im Verwaltungsgericht seinen Meister
Heute darf einmal unser süßes kleines Verwaltungsgericht auf die Kulturseite, denn es hat gar so schön über Wahn und Wirklichkeit der Kunst geschrieben. Neulich war bekanntlich das bremische Amt für Straßen- und Brückenbau auf dem Rembertikreisel einmarschiert und hatte bei laufendem Kunstausstellungsbetrieb fünf Schilder mit der Inschrift „Hosen runter!“ von den amtlichen Verkehrsschilderpfählen abmontiert. Andreas Wegner nun, der Organisator des Kunstprojektes, begehrte vom Gericht, es möge dem Amt für Straßen- und Brückenbau die sofortige Wiederanbringung der Schilder an den amtlichen Pfählen anordnen. Das Gericht aber wies den Antrag unter dem AZ 2 V 410/93 mit folgenden überragenden Worten ab:
Dem Antrag kann nicht entsprochen werden, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, daß ihm ein Anordnungsgrund zur Seite steht...Daß der Ausstellung durch die Einflußnahme des Amtes schon jetzt großer Schaden entstanden sei, wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift vorträgt, wird von ihm nicht näher ausgeführt und vermag die Kammer auch sonst nicht zu erkennen, zumal die Ausstellung voll von der öffentlichen Hand finanziert worden ist, das Projekt laut Pressemitteilung (BN v. 23.10.1993) als „gelungene Provokation“ bezeichnet worden ist und der Vorgang insgesamt die Annahme nahelegt, den erfolgten Abbau der Schilder durch das Amt als Teil des Projektes einzuordnen. Auf Art. 5 Abs. 3 GG kann sich der Antragsteller jedenfalls nicht berufen, soweit es ihm um die weitere Mitwirkung der Behörde an der „gelungenen Provokation“ durch Wiederanbringung der Schilder gehen sollte, da die Kunstfreiheit wohl die Freiheit vor staatlicher Einmischung garantiert, nicht aber hier über die finanzielle Förderung hinaus auch Anspruch auf staatliche Mitwirkung am Herstellungsvorgang des Projektes selbst gibt. Im übrigen bedarf der Antragsteller zur Wiederanbringung der 5 Schilder auf der Kunstausstellung OPEN AIR
...kein Anspruch auf staatliche Mitwirkung am Herstellungsvorgang
auch keiner gerichtlichen Hilfe. Die Inanspruchnahme des Gerichts erscheint vielmehr überflüssig, nachdem die Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 21.10.1993 die entfernten 5 Schilder, deren möglicherweise satirischer, jedenfalls aber nicht amtlicher Charakter im übrigen offensichtlich und für deren Inhalt eine strafrechtliche Relevanz nicht erkennbar ist, zur Abholung für den Antragsteller bereitgestellt hat. Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, die 5 Schilder erneut in der Kunstausstellung wieder anzubringen, wobei es ihm jedenfalls im Rahmen dieses Eilverfahrens zuzumuten ist, die Schilder auf eigenen Pfählen zu befestigen. Aus Kostengründen besteht für die Benutzung der Amtspfähle kein Anlaß, nachdem die Antragsgegnerin mit deren Benutzung ersichtlich nicht einverstanden ist. Ein Eingriff in die Kunstfreiheit liegt in diesem Zusammenhang nicht vor, da sich die Reichweite der Kunst von vornherein nicht auf die Inanspruchnahme fremden Eigentums erstreckt.
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