Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Nach der Wahl geht es seitwärts, dafür ist Sigmar Gabriel für einen Aufpreis erhältlich.
taz: Herr Küppersbusch, was war gut in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Ein junger Mann aus meinem engsten Bekanntenkreis ist T5 gemustert, untauglich.
Was wird schlecht in der nächsten?
Meine argumentative Basis für die Beibehaltung der Wehrpflicht.
Schwarz-Gelb hat gewonnen. Geht es jetzt abwärts?
Mindestens seitwärts, vier Jahre Warten: Die Wähler haben nur der Opposition einen eineindeutigen Auftrag gegeben: "Jetzt geht in Euer Zimmer und kommt erst wieder raus, wenn Ihr Euch vertragt !" Die SPD in Thüringen hat darauf spontan ihr Hausaufgabenheft weggeschmissen, während Saar und das Revirement an der SPD-Spitze noch hoffen lassen. Der Auftrag an die Regierung dagegen ist so diffus, wie die Koalitionäre es wollten: "Arbeit muss sich wieder lohnen" - das ist für Millionen Arbeitslose weniger als nichts. Nämlich die konkludente Drohung "Keine Arbeit muss sich wieder rächen". Und wenn sie nichts haben werden, von "keine Arbeit" werden sie genug haben. Kohl & Genscher in Frau & schwul, und täglich grüßt der Murmelkohl. Schwarz - Gelb hat ein Mandat bekommen, ohne im Wahlkampf eine ernsthafte Sekunde über Atomkraft, Auslandseinsätze und Verstaatlichung reden zu müssen. Ihr habt denen Eure Schecks gegeben, Leute.
Einen BBC-Reporter, der so dreist war, eine englische Antwort zu verlangen, belehrte FDP-Chef Westerwelle: "Es ist Deutschland hier." Richtig so?
Ausgerechnet betreffs Westerwelle spräche man ungern von "German Pickelhaube". In geschliffenem Oxford charmant darlegen, warum er es zunächst den hiesigen Wählern in ihrem Idiom sagen möchte: That would have been great diplomacy. Westerwelle benutzt gern mal "freiheitlich", "Volk" und "Vaterland", wo zeitgemäßer Sprachgebrauch "Liberal", "Bevölkerung" und "Europa" sagt. Diese irrlichternden verbalen Niebelgranaten passen zu einer FDP, die in den 50ern alte Nazis und 1990 die NDPD der DDR verschlang. Der BBC-Kollege mag tricky gehandelt haben, immerhin wissen wir seither, wie Westerwelle als Außenminister rumzuholzen gedächte.
Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Die SPD leitet nach dem Wahl-Debakel einen Generationenwechsel ein. Bitter nötig?
Schade um Münte, Wasserhövel, Steini und die ganzen Kampagneros : "Die können Wahlkampf" also auch nicht, wenn sie die Erde als Scheibe verkaufen wollen. Der sublime Claim "Wählt nicht Merkel, sondern Steini, dann kriegt Ihr am Ende doch Merkel" war maximal behämmert. Wie tröstlich, dass das Publikum eine überzeugende Idee will. Die Teilung in MSPD und USPD 1919 dauerte nicht so lange wie diese in SPD und Linkspartei. Wenn es aus Weimar eine Lehre gibt, dann die, dass Adenauers Zentrum den Nazis half, während die Linke heillos zerstritten war. Ich aber sage Euch: Es wird eine ostdeutsche LinksSPD geben und eine westdeutsche GodesbergSPD, und die CDU/CSU wird kotzen, weil es auf ihr Erfolgsmodell rausläuft, um 90 Grad auf der Karte gedreht: Fraktionsgemeinschaft SPD/Linke. Beck hatte das nach Hessen erkannt, Wowereit wäre vor vier Jahren schon so weit gewesen. Aber die SPD fragt ja gerne rechte Kommentatoren oder die CDU, was sie machen soll.
Der bisherige Umweltminister Sigmar Gabriel soll neuer SPD-Parteichef werden. Gut so?
Ja, er hat mit links nix am Hut und ist so geschmeidig, gegen Aufpreis sofort das Gegenteil zu behaupten. Siggi Stardust will nach oben und wird die Wahl zwischen Kanzleramt oder Heiligsprechung jederzeit zugunsten des Kanzleramtes entscheiden. 1966 wurde mit Kiesinger ein hoher Nazi-Funktionär Bundeskanzler, der NS-Verfolgte Brandt reichte ihm dazu die Hand der inneren Aussöhnung. 21 Jahre nach 1989 regiert eine FDJ-Funktionärin, die den ganzen Tag auf die SPD einkübelt. Es wird Zeit für einen Antagonisten, der so skrupellos ist wie Merkel.
Der Regisseur Roman Polanski hat zugegeben, 1977 ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt zu haben und wurde erst jetzt deswegen festgenommen. Stehen Künstler über dem Gesetz?
Nein. Polanskis Verteidigung hebt auf Verfahrensfehler ab und auch darauf, dass das Opfer sich engagiert für eine Begnadigung Polanskis eingesetzt hat.
Weil ein Muslim an seiner Schule beten darf, halten Kritiker die Fahne des Laizismus hoch. Geht es hier um das Neutralitätsgebot oder um den Islam?
Siehe Kruzifix im Klassenraum : für mich hat kein Bundeswehroberst in Uniform was im Klassenraum zu suchen und keine Nonne im Ornat und auch keine andere Religion.
Am Freitag wird der Träger des Friedensnobelpreises bekannt gegeben. Wer sollte diesen erhalten?
Der Angriff des BVB.
Und was machen die Borussen?
Torwart Weidenfeller schützt sich wirksam vor dem Friedensnobelpreis: Indem ihm ein Streit zum Thema "Wer saß zuerst hier" in einer Nudelbude in der Innenstadt zur zünftigen Schlägerei eskaliert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour