Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
In den Kirchen laufen Bekloppte herum und Schröder ist ein Testosteron-Darsteller.
taz: Herr Küppersbusch, was war letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Ich würde klimatechnisch jetzt dann doch gern den März anschließen.
Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.
Was wird besser in dieser?
Eine machtvolle Bürgerbewegung schließt sich mir an, demonstriert, schriebt Petitionen, und … äh.
Der zurückliegende SPD-Parteitag. Große Unterhaltung? Tragödie? Egal?
Bei einem CDU-Parteitag wäre alles andere als ein pompös inszeniertes "egal" ne Überraschung. Bei den Restsozis dagegen gab es z. B. den Mannheimer Brudermord an Scharping, wurde Brandt per Parteitag auf den Ehrenvorsitz zwangsgelobt. Siggi Stardust hat neben Merkel, CDU, doofen BWLern auch die Journalisten gerempelt in seiner Großkabinen-Ansprache. Und das könnte in der Tat eine neue Qualität sein. Neben Info-, Doku- und Helptainment haben die Medien in den letzten Jahren stets einen verlässlichen Lieferanten für hochwertiges Sozitainment in der SPD gehabt. Ob Testosteron-Darsteller Schröder, das lebende Vakuum Scharping oder die Ein-Mann-Sekte Lafontaine: Stets fragte man einen Sozi, bekam drei Meinungen und on top fünf Gerüchte, wer wem die Frau ausgespannt hat. Wenn Gabriel hinbekommt, dass sich Sozis nicht mehr neoliberalen Heil-mein-Meinungs-Führern gefällig quatschen, sondern umgekehrt die Mitte zu sich hinargumentieren: dann wird man sich an den Parteitag erinnern.
Die Suche nach einem EU-Außenminister geht in die heiße Phase. Ihr Wunschkandidat?
So viel sinnfreie Koalitionen mit den Schwarzen konnten die Grünen gar nicht mehr machen, dass Fischer sich den Traum noch erfüllt. Das Ding ist durch, zum Glück. Mein Favorit ist einer, der im Zuge freier, gleicher und geheimer Wahlen gewählt wird. Bisher ernennen regierungsbenannte Kommissare irgendwelche Oberkommissare, dagegen war das preußische Dreiklassenwahlrecht vergleichsweise basisorientiert. Ein guter Kandidat würde das Amt als vordemokratisch ablehnen.
Das Bundeswehr-Kontingent in Afghanistan soll aufgestockt werden - um schlappe 120 Mann. Was kann man mit denen anfangen?
Den Amis ein rhetorisch trickreiches "Ja, aber wir haben doch" zum Kaputtlachen basteln.
Barack Obama in China. Worum es da wohl geht?
Treffen der beiden Superohnmächte: China hat fast 800 Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen angelegt. Rauscht der Dollar ab, zerstäubt Chinas Geld. Verkauft China, sind die USA pleite. Brüder in Armut, sozusagen, und deshalb wird Obama sich mit einer Auswahl an Gesprächspartnern ungefähr auf dem Niveau der Frankfurter Buchmesse zufrieden geben. Dass beide Giganten einander wirtschaftliches Wohlergehen wünschen müssen, ist so richtig schlimm ja nicht im Vergleich zum Kalten Krieg.
Die russisch-orthodoxe beendet die Zusammenarbeit mit der deutschen evangelischen Kirche - wegen der neuen Vorsitzenden Margot Käßmann, einer geschiedenen (!) Frau (!!). Was bedeutet das?
Dass wir gar nicht wussten, wie viel Bekloppte noch rumlaufen. Bisher konnte man es sich im Katholenbelächeln gemütlich machen, jetzt geht auch die Evangelisch-Lutheranische Russische Kirche auf Ablehnung gegen Käßmann. Offenbar wars höchste Zeit, den Glaubensbrüdern mal vermittels einer Kirchenfürstin aus der Tarnsoutane zu helfen.
Gewaltexzesse von Hells Angels und Bandidos, vor allem im Ruhrpott. Wo bleiben die streitschlichtenden Streetworker?
Bei der ersten rustikalen Nacht in Duisburg führte die Polizei 20 Streifenwagen heran, während beide Gangs 60, 80 Leute je für die Massenschlägerei stellten. Sprecher der kampfsportbegeisterten Motorradfahrer-Gruppen rieten den Beamten, "sich da rauszuhalten", was wohl auch weitgehend überzeugend umgesetzt wurde. Langfristig sollten Hausbesetzer, Anti-AKWler und Friedensfreunde die Bandidos und Hells Angels zum Erfahrungsaustausch und zu Weiterbildungen bitten.
Sonst selten einer Meinung, sind sich die deutschen Autobauer diesmal einig und fordern das Ende der Staatshilfe für Opel. Richtig so?
Ja klar. Oder kann ich jedem Zuschauer, der eine Produktion meiner Firma nicht freiwillig anguckt, ein paar Euro "Wetten, dass-Abwrackprämie" vom Staat versprechen, für die er dann nachweislich mein Zeug gucken muss? Staatliche Lenkungsmittel wärmen die Fassaden und füllen die Dächer mit Solarthermie, das ist gut angelegtes Geld. Hat Opel ein vergleichbar gemeinnütziges Auto? No. Also.
Müssen wir uns daran gewöhnen, dass Bayern München nur noch Mittelmaß ist?
Nein. Wir dürfen.
Was treiben die Borussen?
Nachdem hier ganze Schulen den Unterricht einstellen, wurde die Schweinegrippen-Impfung des Kaders von der Winterpause auf letzten Sonntag vorgezogen. Ergebnis: Zwei Spieler erkrankt. Jetzt erwarte ich mehr Kranke bei nichtgeimpften Vereinen.
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