Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Fukushima wird eine Randbemerkung, und demnächst gibt es eine Christenkonferenz.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Schauderlich, wie Fukushima zu so ner Art lästigen Nachrichtenrubrik wie Wetter und Sport wird.
Was wird besser in dieser?
Der Spiegel macht auf mit "Wie Deutschland auch ohne Kernkraft funktioniert" .
Der Energiekonzern RWE wehrt sich juristisch gegen die vorübergehende Stilllegung des Meilers Biblis A. Steht das Atom-Moratorium der Regierung auf der Kippe?
So spektakulär hat es kaum ein AKW-Gegner je vorführen können wie jetzt RWE: "Eine Million pro Tag Gewinn" wollen die Herren einklagen. Ihre intellektuellen Brennstäbe scheinen aus eitel Eigenthorium gebraten: für den Fall eines Friedens in Afghanistan oder eines Kriegsverzichtes wie in Libyen erwarte ich hohe Schadensersatzforderungen der Rüstungsindustrie. Das Moratorium der Bundesregierung stützt sich auf "Gefahr im Verzuge", und - da wäre den Atombossen zuzustimmen - die war vor Fukushima so groß wie seither. Es trägt nicht und hängt vom Wohlwollen der AKW-Betreiber ab. Und was die wohl wollen - siehe oben.
Atomkrise und Libyenkrieg: Europäische Nachbarn spotten über die Ängstlichkeit der Deutschen - zu Unrecht?
Frankreich liefert Japan die MOX-Brennstäbe vom Fukushima-Plutonium-Typ, es hat ein Zehntel aller AKWs weltweit. Und hegemoniale Interessen im Mittelmeerraum. 2008 bremste Merkel Sarkozy noch aus; er hatte sich eine "Mittelmeer-Union" unter französischer Führung ausgedacht; über den Job des "Generalsekretärs" mit Tunesiens Staatsverbrecher Ben Ali verhandelt. Und mit Gaddafi einen 10-Milliarden-Vertrag über Waffen- und Nukleartechnik geschlossen. Merkel erzwang damals, das Projekt "Mittelmeer-Union" in die bestehende EU zu integrieren. Konsequenzen aus Fukushima, Zurückhaltung im Sicherheitsrat - hey, mit dem richtigen Koalitionspartner wäre Merkel fast so gut wie gleich ne andere Bundesregierung.
FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Nach dem FDP-Wahldebakel ist die politische Galgenfrist für Guido Westerwelle abgelaufen. Wer ist am besten geeignet für seinen Job? Und warum?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist die grüne Enklave in der FDP, sie hat unter Kohl lieber das Amt geschmissen als ihre Überzeugung - so was passt offenbar nicht an die Spitze der FDP. Jetzt rangeln mit Rössler, Lindner und Bahr drei Geschöpfe Westerwelles um seinen Job, und wenn sie wirklich aus seinem Holz sind, werden sie keine Probleme haben, ihren Mentor einer Kariere zu opfern. Der wird, wie vordem Genscher und Scheel, versuchen, die FDP an einen soliden Verwalter zu geben. Dass er es nicht längst tat, zeigt seine Schwäche im Vergleich zu den Ahnen.
Nach dem Wahlsieg der Grünen stoppt die Bahn vorerst alle Ausschreibungen für das Projekt Stuttgart 21. Ist das der Anfang vom Ende?
Die Grünen könnten versuchen, jäher zu stürzen als jetzt die FDP, indem sie S 21 nicht stoppen. Danach geht dann gar keiner mehr zur Wahl.
Die Regierung erklärt ihr Wahldebakel mit den Ereignissen in Japan. Aber sind das die wahren Gründe?
Die Union hat hie zugelegt, da die Strafe für Stuttgart 21, Mappus und Atom in Grenzen gehalten. Merkels strategischer Fehler war das Wort vom "Hirngespinst" Schwarz-Grün; im Interesse der Grünen muss man ihr dafür ewig dankbar sein. Diese Regierung hat kein Projekt - die Neoliberalisierung hatten schon Schröderfischer besorgt - und sie macht einen Haufen handwerklicher Fehler. Sie hat das Zeug, den herkömmlichen Parteipolitikbetrieb in Gänze infrage zu stellen.
Die Deutsche Islamkonferenz war einmal eine große Sache. Hat der neue Innenminister Friedrich diese nun völlig überflüssig gemacht?
Nein, ich freue mich nun auf die Christenkonferenz! Dort wird Friedrich eine Sicherheitspartnerschaft anbieten, im Zuge deren gemäßigte Christen den Behörden fundamentalistische Katholiken anzeigen, etwa sexuell Gewaltbereite.
Um die Plagiatsaffäre des ehemaligen Verteidigungsministers Guttenberg ist es ruhig geworden. Doch nun haben Netzaktivisten die Doktorarbeit der Tochter Edmund Stoibers entdeckt. Warum überrascht uns das nicht?
Ich habe nicht mal n Diplom, wie ich mich nach dem Volo beruflich nicht so ausklinken konnte, um die gewünschten 200 Seiten zu schreiben. Heute wäre ich mit Diplom ja auch verdächtig.
Und was machen die Borussen?
Das lappte spielerisch ins Meisterfeierhafte; Gyrosbuden, Straßenbahnhaltestellen, Cafés, alles in Schwarzgelb. Sonntag hatten die Baumärkte auf, weil zur üblichen Baumarktdienstzeit, Samstagnachmittag, keiner hinkam. Es ist noch zu früh, um über den Titel zu reden! Müssen wir ihn also trinken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid