Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Innenminister Friedrich war versehentlich ehrlich. Facebook macht sich zum Zuhälter und verkauft Kaffee. Und für den BVB gilt: "Es ist ein Meister vom Himmel gefallen."
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die Äußerungen des Papstes vergrößern mein Mitgefühl mit den Katholiken, nicht meine Gemeinsamkeit.
Was wird besser in dieser?
Die russische Verfassung wird dahingehend geändert, dass Putin jeweils fünf Jahre Medwedjew heißt. Das spart lästige Wahlattrappen.
Der Gefangenenhilfsverein HNG, Deutschlands größte Neonazigruppierung, wurde von Bundesinnenminister Friedrich (CSU) verboten. Keine Knastseelsorge für Nazis - ist Friedrich ein Unmensch?
Nee, aus Versehen ehrlich. Das Verbot soll verhindern, dass Einsitzende in ihrer Nazi-Haltung bestärkt oder gar erst darin gefestigt werden. Offenbar teilt der Innenminister die Einschätzung, dass viele erst im Knast so richtig kriminell werden. Diese Organisationen sind austauschbar, es gibt bereits parallel tätige und die Aktivisten waren auch vorher und werden nachher ihre Sumpfgase ausstoßen. Vermutlich erschweren sich die Behörden nun die Arbeit, weil sie bisher die Irren aus der Mitgliederliste der HNG runterladen konnten. Mir ist das Verbot trotz allem recht, als Teil der Ambivalenz, mit der man so was nur eindämmen kann, permanent.
ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Früher schrieb man Tagebuch, heute gibt es Facebook: Auf einer Zeitleiste werden fortan alle digitalen Aktivitäten der User dokumentiert und archiviert. Wann lernt Facebook endlich das Kaffeekochen?
Es lernt, Kaffee zu verkaufen. Die ganzen ich sehe-höre-trinke-esse-gerade-Angaben ergeben Nutzerprofile, für die die jeweilige Industrie viel Geld anlegt. Facebook macht sich zum Zuhälter der Kaufkraft seiner Nutzer. Ein Popstar ist jemand, der all diese Angaben nicht extra bei Facebook machen muss, umgekehrt verkauft Facebook die Illusion, stattgefunden zu haben. Drollig: wo die Staaten mit Grenzen und Zöllen und Zugehörigkeiten schwinden, macht sich ihr Nachfolger auf: Künftig ist man Staatsangehöriger eines kommerziellen Gebildes.
US-Präsident Barack Obama macht ernst: In zehn Jahren will er drei Billionen Dollar sparen, auch mit der "Buffet-Steuer": Millionäre sollen gleich viel zahlen wie Normalverdiener. Ist das populistisches Reichenbashing - und wer soll dann den Iran befrieden?
Hier gibts auch immer wieder einen Krösus, der sein Geldbündel Herrn Schäuble mit dem 9er Eisen durch den Briefschlitz putten müsste. Obamas Vorschlag beträfe 0,3 Prozent der Amerikaner, die etwas zuzahlen müssten - und viele Millionen enttäuschte Democrats-Wähler, die ihn wieder dufte finden sollen.
Der Vorsitzende des afghanischen Friedensrates, Rabbani, wurde von einem Attentäter in die Luft gesprengt - der hatte die Bombe im Turban versteckt, genau wie ein Muslim bei den Mohammed-Karikaturen. Haben die Taliban den Humor entdeckt?
Rabbani war auch schon Warlord, Kriegsverbrecher, Friedensratsvorsitzender und insgesamt irrer Vogel. Interessant, dass seine Anhänger bei der Beerdigung Nachbar Pakistan als Mörder schmähten. Das passt immerhin dazu, dass Osama bin Laden sich in Pakistan verstecken durfte. Rabbani sollte für Karsai "moderate Taliban" einwerben, und so tot ist man, wenn man das tut. Afghanistan wird für die USA und ihre Verbündeten zu einer Superslomo von Vietnam.
Spiegel-Autor Matthias Matussek freut sich über die reaktionäre Politik des Papstes - er hält ihn für den "letzten Nonkonformisten", weil er dem "liberalen Protestantismus als Herrschaftsideologie" Paroli bietet. Ist Benedikt XVI. ein Rebell in weißer Soutane?
Ich stelle mir Meetings in großen Musiklabels nicht mehr viel anders vor als: Hey, was ist denn so scheiße, dass wir Geld damit verdienen könnten, wenn wir einen Künstler das singen lassen ? Popkultur funktioniert antagonistisch - wenn alle Disco machen, kommt Punk, wenn Michael Jackson triumphiert, antwortet Nirvana. Also keine Sorge um MC Matti, wenn alle irre werden, wird er als Erster das Hohe Lied der Vernunft zur Gitarre vortragen. Meinungspop halt.
Schalke-Trainer Ralf Rangnick hat seinen Job geschmissen - Burn-out-Syndrom. Was läuft falsch in Gelsenkirchen?
An dieser Stelle, wo Rangnick als echtes Vorbild agiert, begannen früher große Alkoholiker-Karrieren, nehme ich an. Toll, großer Respekt.
Und was machen die Borussen?
Die Schlagzeile "Es ist ein Meister vom Himmel gefallen" kann auf Wiedervorlage. Auf der Rückfahrt von Mainz bin ich dreimal rechts ran, tanken, Kaffee holen, dumm rumstehen, um so dreimal den Mannschaftsbus auf Rückreise wieder zu überholen. Karmatechnisch habe ich alles gegeben.
Interview: KAT, MAR
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland