Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Rammstein sind arm dran, die Demokratie pausiert, und die Griechen baden deutsche Fehler aus.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Der gefasste Berliner Kühlergrillanzünder hat keine politischen Motive, sondern "Frust über Arbeitslosigkeit".
Was wird besser in dieser?
Arbeitslosigkeit wird in der Verfassung als Hobby eingestuft.
Muammar al- Gaddafi ist tot. Sogar der Iran hat den Tod des gestürzten libyschen Machthabers begrüßt. Sind wir jetzt dem Weltfrieden ganz nahe?
Klar, nur noch eben Iran, die Amis basteln schon dran. Das könnte dann zwar aus Versehen auch ein Weltuntergang werden, aber, hey, einfach mal versuchen. Die Taliban waren Ziehsöhne der USA gegen die Russen, Saddam Hussein ihr gehätschelter Verbündeter gegen Iran und Gaddafi der irre Waffenkunde mit dem Öl. Diese Menschenrechtskriege mit ihrer gründeutschen Beigabe nachträglicher Auschwitz-Befreiung sind eine Strategie, besonnene Verhandler als Weicheier zu diskriminieren. Wenn Demokratie überlegen ist, warum hat sie im Ernstfall immer Pause?
ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Tausende Griechen demonstrieren immer wieder gegen Einsparungen, die Abgeordneten stimmten dennoch für die Maßnahmen. Streik trotz Hilfe. Sind die Griechen undankbar?
Nee, wir. Die Griechen baden eine kohldeutsche Fehlkonstruktion aus: Wirtschaftseuropa, ein Staat ohne Verfassung und Sozialgesetzgebung. Man kann allen alles verkaufen und muss vom Gewinn niemandem was abgeben. Die Griechen protestieren für die mit, die sich Europa als Sozialstaat vorstellen. Wegen dieser vorbildlichen Erkenntnis hatte ich allerdings mit zwei, drei Eigentoren von Piräus gegen den BVB gerechnet.
Subsahara boomt. Der IWF rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von 5,8 Prozent. Damit liegt Afrika über dem Niveau der restlichen Welt. Ein erster Schritt zur New World Order?
Kongo und Burundi führen den Welthungerindex an, die "Millenniumsziele" der Armutsbekämpfung sind verfehlt. Und wenn sich die westlichen Industrienationen engagieren, fehlt nicht der Hinweis auf den Appetit Chinas auf Energie, Rohstoffe und Stimmvieh bei den UN. Immerhin: Ein Wettbewerb in Entwicklungspolitik wäre weniger schlimm als die Stellvertreterkriege zuvor.
Die baskische Untergrundorganisation ETA hat das Ende ihres bewaffneten Kampfs erklärt und fordert einen Dialog mit der französischen und spanischen Regierung. Ist der Urlaub auf Mallorca wieder sicher?
Die ETA ("Das Baskenland und seine Freiheit") wurde in der und gegen die Franco-Diktatur gegründet. Es wäre durchaus keine Schande für die Demokratien rundum gewesen, ihre Partei Herri Batasuna (Volksgemeinschaft) in die Gewaltlosigkeit zu locken. Das wollte auch Frankreich nicht, das nach ETA-Verständnis alle Basken außer -mützen unterdrückt. Der letzte tödliche ETA-Anschlag auf Mallorca 2009 gehörte bereits in die Phase, in der die ETA irgendeine Anerkennungslösung mit der spanischen Regierung erzwingen wollte. Die setzt auch jetzt drauf, dass sich die Bewegung ganz auflöst. Abwarten.
"Galileo" wurde ins Weltall geschossen werden. War die Sendung wirklich so schlecht?
Ja, sie hat eine Welle von Wissensformaten zurück ins TV gespült, gerade die Öffentlich-Rechtlichen haben verduzt ein paar Extragremien gegründet: Wieso hat ein Kommerzsender Erfolg mit Schulfernsehen auf Koks? Inzwischen sind alle Häusersprengungen und Erdbeben verfilmt, vermutlich kann man bald missliebige Innenstädte zur Sprengung vorschlagen. Ein ganz deutsches Phänomen: Fernsehen - aber mit Weiterbildungsaroma! Wir sind niedlich.
Die Demonstranten an der Wall Street sind überzeugt, die Politik kümmere sich um das eine Prozent Wirtschaftler und Banker, nicht um die 99 Prozent Bürger. Was müsste passieren, damit 99 Prozent der Deutschen auf die Straße gehen?
Ausfall der Bundesliga und gleichzeitig eine Woche alle Supermärkte zu. Dazu irgendwas Böses mit Tieren.
Am Totensonntag sollte die Band Rammstein in der Olympiahalle in München spielen. Die Stadt hat das Konzert wegen des Tanzverbots untersagt - dabei haben in der Vergangenheit an diesem Tag sehr wohl Konzerte stattgefunden. Ist Rammstein das Problem?
Ist es nicht auch irgendwie arm für eine ehemals anstößige Band, wenn nur noch ein bayerisches Kreisverwaltungsreferat sich aufregt?
Und was machen die Borussen?
Es war eine mäßig gute Idee, Samstag mit meinem Kölner Kennzeichen nach dem Spiel noch kurz einkaufen zu fahren.
FRAGEN: FSEI, SFI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!