Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Nie, nier, am niesten: Das neue Traumpaar Sigmar Gabriel und Marietta Slomka, der echte Merkel-Doppelpass und der sympathische Papst.
H err Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Die Begrenztheit der deutschen Sprache.
Und was wird besser in dieser?
Neben Komparativ und Superlativ tritt künftig der Hanelorekraftfall: nie, nier, am niesten.
Sind die verfassungsrechtlichen Bedenken am SPD-Basisentscheid über den Koalitionsvertrag tatsächlich „Quatsch“ und „Blödsinn“, wie Sigmar Gabriel im Interview mit Marietta Slomka meinte?
In Interviews brach früher gern der gelernte Sozialkundelehrer aus dem Hochsichereitssiggi aus. Dann wurden Fragen benotet und Interviewern Sitzenbleiben angedroht. Diesmal sah man förmlich Früchte des Coachings, erst die „immer sind Sie gegen die Sozis“-Rempelei kam argumentfrei daher. Das Thema trug die sieben Minuten nicht wirklich, ebensogut hätte man wechseln und der SPD die xte Coverversion grüner Basisdemokratie vorwerfen können. Und beim Stichwort „Verfassungsbedenken“ fragen können: Ist der SPD der verfassungsfremde „Hauptausschuss“ recht, den sie nun mitverursacht. Unterm Strich gleichwohl win/win; alle reden über das neue Traumpaar. Aus Versehen eine Antwort auf das Genöle über „zuviele Talkshows“ – was fehlt und lohnt ist ein konfliktbereites „one on one“.
Der Mindestlohn kommt! Wen ärgert das am meisten?
Mich. Die Lohnbesserung der „working poor“ ist notwendig, und die Tarifpartner bekommen es kraftlos nicht mehr hin. Nun muss ich Frau Merkel zujubeln für die Aufhebelung der Tarifautonomie. Das ist doch eine Zumutung.
Auch der Doppelpass kommt - aber nur für Kinder ausländischer Eltern, die nach 1990 geboren wurden. Fühlen Sie sich benachteiligt?
Geht so, ich würde den Doppelpass in jedem EU-Land bekommen. Es geht wesentlich um Kosmetik für den Umstand, dass die Türkei kein EU-Mitglied ist. Und es ist ein echter Merkel: Nun wird die CDU dafür gelobt, sich immerhin etwas bewegt zu haben, während die SPD den Rücken voll bekommt, weil sie die versprochene Doppelstabü nicht für alle durchgesetzt hat. Nun kündigen die SPD-Mitglieder aus den türkischen Gemeinden an, den Koalitionsvertrag abzulehnen. Während türkische Zeitungen „Sieg der Türken“ schlagzeilen. Kein Doppelpass ist ein hartes Schicksal, Sozi sein ist schlimmer.
Der Bundesrat unternimmt einen zweiten Anlauf, die NPD verbieten zu lassen. Muss die Partei sich bald umbenennen?
Der Weg ist das Ziel. Naja die weg ist auch das Ziel. Immerhin formuliert die beharrliche Arbeit am Thema für alle Schwankenden eine klare Wegweisung : Auch wenn wir es nicht gebacken bekommen, sagen wir deutlich wer nicht dazu gehört. Das ist letztlich sogar wichtiger als eben das Verbot einer austauschbaren Hülle.
Im Europäischen Gerichtshof beschäftigt man sich derweil mit Kleidungsstücken, die das Gesicht verhüllen. Ist es diskriminierend, die Burka zu verbieten oder die Burka zu tragen?
Ja, genau. Beides. Frankreich hat die Burka verboten, neuerdings die Inanspruchnahme von Prostitution und überhaupt kann man ja auch einen Fahrradschlauch reparieren, indem man in jedes Loch eine Heftzwecke steckt. Gute Fahrt. Ein humanistischer Ansatz ginge davon aus, den Menschen ihr Tun und Lassen zu ermöglichen, soweit es anderen zumutbar ist. Nur kommt dabei eben keine große Holzhammergeste heraus, sondern kleine Alltagspolitik. Oder doch : Ob Bundeswehruniform, Pfaffenornat oder Burka – nichts davon hat etwa im Klassenzimmer weltlicher Schulen etwas zu suchen. So gesehen sind diese Debatten auch unsere eigenen liegengebliebenen Hausaufgaben.
Finden sie Papst Franziskus auch so sympathisch, weil er eine „verletzte, beschmutzte“ Kirche idealisiert?
Das Stichwort „Dezentralisierung“ in dem päpstlichen Schreiben klingt so umstürzend evangelisch, dass man es glatt überlesen hat. Oder den ganzen Text unter „Sozialenzyklika“ einsortiert, von denen es viele und viele wirkungslose gibt. Die Ertüchtigung der Kirchen vor Ort mit einem tatsächlich nur spiritus rector, einer theologischen Ideenschmiede in Rom, wäre ein Umsturz. Beten, alle!
Sie sind sicher Fan von Bob Dylan. Was halten Sie davon, dass er ein Video zu „Like A Rolling Stone“ hat drehen lassen?
Sehr charmant, jetzt macht die Slomka hier auch schon die Fragen. Na gut. Opa Fred sagt Euch: Stört ja nicht.
Und was machen die Borussen?
Beim Neapelspiel hatte ich in der Halbzeit ein buntes Programm zur Herzkasper-Vorbeugung erwartet. Die Krankenkassen lassen da viele Chancen liegen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit