Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Edmund Stoiber kann’s noch und bei der Union wackelt das Gebiss. NPD-Chef Apfel ist zurückgetreten und Wladimir Putin ist in Weihnachtsstimmung.

Ist weg: Holger Apfel, ehemaliger NPD-Chef. Bild: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die EU wollte Menthol im Schnupftabak verbieten! Helmut Schmidt hätte sich die Reyno ersatzhalber durch die Nase einführen müssen!

Und was wird besser in dieser?

Edmund Stoiber hat bei der EU erfolgreich dagegen gelobbyt. Man verleihe ihm die Goldene Nase.

Merkel ist wieder Kanzlerin. 42 Abgeordnete der Koalition haben nicht für sie gestimmt. Die ersten Anzeichen für ein Wackeln der Koalition?

„Man sieht sich immer zweimal im politischen Leben“, schimpfte Steinbrück beleidigt im Wahlkampf, weil die Kanzlerin die Europatreue der Sozis unfair verspottet hatte. Steinbrück wird an diesem Wiedersehen nicht mehr teilnehmen, doch die SPD wird Merkel die Mehrheiten besorgen, in der Union werden viele antieuropäisch prahlen. Da wackelt nicht die Koalition, sondern das Gebiss der Union.

Ursula von der Leyen wollte auf keinen Fall Gesundheitsministerin werden. Sie soll Merkel sogar gedroht haben, aus dem Kabinett auszuscheiden. Verdient ein so wichtiges Ministerium nicht mehr Ruhm und Anerkennung?

Das Gesundheitsministerium ist etwas für Leute, die schon als Kinder auf dem Spielplatz am liebsten auf dem Zentrifugalkreisel standen, bis es sie runterhaute. Mehr oder minder eine Selbstbedienungstheke für hochgerüstete Lobbygruppen: Pharmaindustrie, Ärzte, Kassen. Das einzige Ministerium, das ebenfalls wie eine notdürftige Tarnung für einen geregelten Geldfluss von Steuern in die Industrie funktioniert, ist … na ja: vom Regen in die Kaserne.

Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir sind jetzt schon Duzfreunde. Das geht ja gut los mit Schwarz-Grün in Hessen, oder?

Kinder, reinkommen! Hessen ist fertig! Man hört im Hintergrund die Fußballhymne „It’s coming home, it’s coming home“ und sieht den Gruhl-CDU-Fundi-wertkonservativ-Anteil der Grünen zurück ins abgetakelte Elternhaus stapfen. In der Perspektive hat die SPD die verlorene Wahl gleich dreimal gewonnen: Sie regiert mit, sie kann künftig mit den Linken – und wer CDU abwählen will, darf nicht mehr Grün wählen. Wenn es gelingt, das menschliche Antlitz des hessischen Deutschen zu zeigen, ist es allerdings auch ein strategischer Sieg der Grünen über die Zukunft der FDP.

NPD-Chef Holger Apfel ist zurückgetreten. Stirbt die rechtsextreme Partei, noch bevor das Verbotsverfahren durch ist?

Pleite wegen unsauberer Wahlkampfkostenabrechnung, deswegen wiederum organisatorisch geschwächt und nun führungslos: Wenn man nicht geneigt wäre, die Nazis jeder weit sehenden Planung für unfähig zu halten, müsste man schon sagen: Respekt, in dem Zustand kann kein Verfassungsgericht eine „aktuelle drohende unmittelbare Gefahr“ erkennen. Wäre also eine Strategie gesucht worden, das Verbot auszuhebeln – das ist sie. Was ja wohl irgendwie für ein Verbot spricht.

Chodorkowski ist schon frei, Pussy Riot und die Greenpeace-Aktivisten kommen bald frei. Ist Wladimir Putin in Weihnachtsstimmung?

Ja, und Ostern sammelt er alle Eier wieder ein. Scheint, als ob die weltweiten Ungemütlichkeiten mit den Winterspielen in Sotschi Wirkung zeigen. Und danach kann man alles wieder zurückwillküren. Chodorkowski wird wissen, warum er zuallererst aus dem Land eilte. Nun wird auch ein Schuh draus, warum Merkel über das Solo unseres Eitelscheitels Joachim Gauck „not amused“ war. Hans-Dietrich Genscher muss dringend in den Seniorenbeirat des Bundespräsidialamts.

Ein US-Gericht hält die Telefonüberwachung der NSA für verfassungswidrig. Wird sich dadurch irgendetwas ändern?

Ja, das Gericht wird überwacht.

Das Landgericht Hannover hat vorgeschlagen, den Prozess gegen Exbundespräsident Christian Wulff einzustellen. Haben wir den armen Mann etwa zu Unrecht verjagt?

Wir haben einen allseits respektieren Finanzminister, der 100.000 Mark unklarer Parteispenden auf dem Deckel hat. Verfahren eingestellt. Wogegen Wulff auf einen Freispruch erster Klasse wegen 700 Euro zusegelt. So kann man „strafrechtlich unerheblich“ nämlich auch formulieren. Wulff unterhielt lange als musterschülerischer Ohrfeigenpollunder, der sich alle Jahre eine Klatsche von Schröder abholte, bis er doch was wurde. Schwer zu sagen, ob er noch mal in den Ring darf oder will. Ich würde es der Meute gönnen, dass er ihnen beim dann wieder fälligen Arschkriechen zugucken darf.

Und was machen die Borussen?

Als Hertha BSC zuletzt den BVB in Dortmund schlug, wurden wir Meister, und die stiegen ab. FRAGEN: AFRO

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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