Die Wissenschaft kommt nach Oldenburg: Technische Spielereien im alten Gemäuer

Oldenburg feilt an einem Konzept für die "Stadt der Wissenschaft". Wichtigstes Projekt: Ein 2,5 Millionen teures "Schlaues Haus", in dem moderne Hausgerätetechnik gezeigt wird. Kritiker finden das dürftig.

Bald muss Mutti nicht mal mehr selbst den Kühlschrank befüllen: Das ist "schlaue Haushaltstechnik". Bild: Electrolux

In Oldenburg am Schlossplatz steht ein Haus, es ist schon sehr alt, erbaut am Ende des 16. Jahrhunderts. Jetzt soll das Haus schlau werden, aber das Problem ist: Vorher müsste es gründlich renoviert werden. Es ist so marode und steht wahrscheinlich nur noch dort, weil es auf beiden Seiten von anderen Häusern gestützt wird.

So ein Haus zu renovieren wird teuer, Oldenburg hat kein Geld, trotzdem will Oberbürgermeister Gerd Schwandner das Haus für die Stadt kaufen, um daraus das "Schlaue Haus" zu machen. Als solches soll es eines der Projekte für die "Stadt der Wissenschaft" sein, als die sich Oldenburg im kommenden Jahr bezeichnen darf. Laut Medienpartner Nordwest-Zeitung soll es sogar "das umfangreichste Projekt" im Programm für 2009 werden.

200.000 Euro würde der Kauf des Hauses die Stadt kosten, weitere 2,3 Millionen Euro sind veranschlagt für Renovierung und Nutzung. Schwandner will dort in einer Musterwohnung - aus Marketinggesichtspunkten sollte man sagen: die Zukunft des Wohnens zeigen. Tatsächlich handelt es sich aber eher um technische Spielereien, die zeigen, was alles in Zukunft machbar sein könnte: ein Ergometer etwa, der die Strampeldaten direkt an den Hausarzt übermittelt; Fenster, die sich automatisch schließen, sobald man das Haus verlassen hat; ein Fußboden, der Alarm schlägt, wenn jemand gestürzt ist. Was die Person am Boden davon haben soll, ist unklar; immerhin hätte sie aber auch einen Kühlschrank, der schlecht gewordene Lebensmittel erkennt und merkt, wenn jemand vergessen hat, die Tür zu schließen.

Ein "Schlaues Haus" will Oldenburg für das kommende Jahr, wenn die Stadt den vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft vergebenen Titel "Stadt der Wissenschaft" führt. Die Idee ist nicht neu, so sind etwa in Bremen und Braunschweig "Häuser der Wissenschaft" entstanden, als die Städte Preisträger des Verbandes waren.

Während sich das Oldenburger Konzept bislang in moderner Haustechnik erschöpft, bringen jene Häuser in Bremen und Braunschweig tatsächlich Wissenschaft der Bevölkerung näher, indem sie auf die Expertise der einheimischen wissenschaftlichen Einrichtungen zurückgreifen. Wichtig ist beiden Häusern, sich nicht nur auf Naturwissenschaften und Technik zu beschränken, sondern auch Themen aus Geistes- und Sozialwissenschaften ein Forum zu bieten. FEZ

Solche Phantasien aus den Entwicklungsabteilungen technikversessener Unternehmen nennt ein extra für die "Stadt der Wissenschaft 2009" engagierter Pressesprecher "intelligentes Wohnen". Dort könne gezeigt werden, "wie man im Alter sicher und unabhängig leben kann". Die Zukunftsaussichten für das Haus selbst aber verschwinden im Unklaren: "Was über das Jahr 2009 dort passiert, ist noch nicht festgelegt", sagt der Pressesprecher.

Hauptbespieler im "Schlauen Haus" sollen die Wohnungsbaugesellschaft GSG und das Energieversorgungsunternehmen EWE sein, die so mitten in der Stadt zu günstigen Konditionen ein Haus mit Technikschau zur Eigenwerbung bekämen. Dass es ihr vor allem auch darum geht, will die EWE gar nicht verhehlen, ein Unternehmenssprecher sagte dazu: "Die Stadt renoviert das Gebäude und wir werden zwei Etagen anmieten und Themen erlebbar machen, die die EWE angepackt hat." Der Bevölkerung werde "sicherlich nicht verborgen bleiben, dass die EWE das Konzept umsetzt". 800.000 Euro würde das Unternehmen gemeinsam mit anderen Sponsoren aufbringen müssen; eine Million soll das Land Niedersachsen beisteuern, ein Bittbrief von Oberbürgermeister Schwandner, EWE, GSG und anderen potentiellen Sponsoren liegt bereits im Wissenschaftsministerium des aus Oldenburg stammenden Ministers Lutz Stratmann (CDU). Da liegt er gut, denn Stratmann hat sich schon häufiger für seine Heimatstadt nicht lumpen lassen; außerdem ist Schwandners Ehefrau Referatsleiterin in Stratmanns Haus. Den restlichen Betrag soll der Umzug des Tourismus-Marketing in das "Schlaue Haus" erbringen, wodurch die Miete am jetzigen Standort eingespart werden könnte.

So stellt es sich Schwandner vor, so könnte es geschehen - wenn da nicht der Stadtrat wäre, der darüber abstimmen muss. Zustimmung kommt allein von der CDU, auf deren Ticket der parteilose Schwandner vor knapp zwei Jahren ins Amt einfuhr; ansonsten ist man nicht so angetan: Die Grünen sind "skeptisch bis ablehnend", sagt deren Fraktionsvorsitzende Anne Lück, "weil es noch kein Konzept gibt", das die Fraktion überzeuge. Ihr Fraktionskollege Rolf Grösch, Mitglied im Finanzausschuss, sagt: "Die Stadtfinanzen erlauben keine Extravaganzen", und wenn das "Schlaue Haus" der "Stadt der Wissenschaft 2009" dienen soll, sei es für die Planung ohnehin zu spät. Gabriele Beckmann von der Linkspartei würde so ein Haus "grundsätzlich begrüßen", findet aber das Konzept noch zu dünn. Die SPD schließlich will "die Sinnhaftigkeit nicht grundsätzlich in Frage stellen", sagt der Fraktionsvorsitzende Rainer Zietlow, ist aber wegen der unklaren Finanzierung skeptisch, auch weil er kein richtiges Konzept sieht: "Wie es bislang dargestellt wird, wäre es als Leuchtturm für die "Stadt der Wissenschaft" zu dünn", sagt Zietlow. Am 10. November soll im Verwaltungsausschuss über den Kauf des Hauses abgestimmt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.