Die Weltbesten aus Hessen?

Infomagazin „Leider gut“: Mo. bis Fr., 15.05Uhr bis 17Uhr auf hr3  ■ Von Gaby Hartel

Gleich zu Beginn gestehe ich alles: KritikerInnen sind subjektiv, halbgebildet und (zumindest geistig) impotent — wie sonst wäre es erklärlich, daß sie anderer Leute ehrliche Arbeit so hinterhältig vom Schreibtisch aus verreißen? Aber eines lasse ich mir nicht anhängen: den Vorwurf nämlich, elitäre Interessen hätten mir den Weg zur „weltbesten Radioshow“ (so textet das hr-Presseheft) verstellt.

Denn nicht auf feindlichem Boden, am Schreibtisch also, formte sich das kopfschüttelnde Unverständnis über die Auszeichnung dieses hr-3-Infomagazins — vollmundig „Leider Gut“ genannt — auf dem „International Radio Festival of New York“. Nein, für „Leider Gut“ war es sozusagen ein Heimderby, als ich, auf der Autobahn mittags um drei im dicksten Stau auf der Autobahn von der Hauptstadt nach Hamburg steckend, den gelieferten Probekassetten lauschte. Da wollte ich mich entspannen! Schließlich gehöre ich jener verschwindend kleinen Minderheit an, die solcherart Blechansammlungen gar nicht anregend findet, und wollte vom „Best Entertainment Magazine“, wie versprochen, auch unterhalten werden. Aber weit gefehlt! Die Musik war mäßig bis kaufhausmäßig, die laut Presseinfo „schnellen, kurzen Berichte, die auch die Hörer einbinden“, entpuppten sich als schnell platzende Sprechblasen, die nach einer Verschärfung der Zulassungsbestimmung für den Begriff „Wortbeitrag“ geradezu schreien. Zugegeben, so ist nun leider mal der qualitative Status quo von seichten Servicewellen.

Klischees aus dem Setzkasten

Aber hier war Hoffnung auf Besseres geweckt worden! Vielleicht hatten die MacherInnen beim Mitschnitt meiner Kassetten einen schlechten Tag. Denn formal und inhaltlich war dieser Ton- und Wortmix aus den genreüblichen Setzkasten-Klischees solcher Programme gebaut. Und ich erfuhr Peter Brooks Warnung „there's nothing more boring than clichees“ — der für die holde Kunst und Alltagskultur gleichermaßen gilt — am eigenen Leib.

Gegen die kalkulierten, aber harmlosen Fastfood-Witzchen, das Jingle-Fever (Marke: Wir machen einen Bandsalat, wenn's nur schön scheppert) die billigen Catchphrases: „nun folgt ein Bericht über's Vögeln“ als Einleitung für das Interview mit einem Vogelsprachenforscher, klingt die Begründung der Preisrichter des New Yorker Festivals wie ein schlechter Witz: „gelungene Zusammenstellung von Musik, Moderation und Information“. Oder besser noch: Wie kein anderes Radiomagazin verstünde das eben Gehörte „Musik und Worte durch ausgeklügelte Jingle- und Musikelemente akustisch perfekt zu verbinden“.

Aha! Vielleicht sind ja die Kriterien des 34 Jahre alten Festivals ein wenig „angelsächsisch traditionell“ verkrustet? Denn von „Innovation“ kann bei diesem leider nur handwerklich gut gemachten Standard- Potpourri nun wirklich nicht die Rede sein!

Das gab's schon mal bei Jochen

So was gab's schon damals, Mitte der Siebziger, als die Kritikerin noch teeneehaft verträumt für Jochen, den Starquatscher von Radio Luxemburg, schwärmte...

Über die Motivation von Jurys ist schon oft nachgegrübelt worden — sie gehört wohl zu den ewigen Geheimnissen des Kulturbetriebs. Vielleicht drückte einfach nur die Hitze im New Yorker Abhörraum. Oder die Herrschaften waren der deutschen Sprache nicht mächtig, als sie „Leider Gut“ die Auszeichnung (vom hr3 mit dem inflationären Gütsesiegel Radio-„Oscar“ bezeichnet) ans Revers hefteten.

Betrachte ich nach alledem die berufsjugendlichen „Leider gut“-MacherInnen Martina Regel und Frank Seidel, wie sie nett grinsend an ihrer Jingle-Maschine stehen, so tut mir das Geschriebene schon wieder leid. Aber die beiden haben ja einen Trost: KritikerInnen sind eben immer „voll daneben“.