Die Welt der Fans

Betroffenenberichterstattung aus der Kurve  ■  WIR LASSEN LESEN

In den letzten fünf Jahren ist das Bedürfnis von Fußballfans, sich selbst darzustellen, sprunghaft gestiegen. Plattform dafür waren zuerst Fanclubzeitungen, in den letzten beiden Jahren aber vor allem eine zunehmende Zahl von Fanzines. Diese sind in der Regel von Fanclubs unabhängig und werden von Einzelpersonen oder Freundescliquen in kleiner Auflage produziert. Das bekannteste Fanzine, der 'Fan-Treff', ist inzwischen eine schon halbprofessionelle Monatszeitschrift, die über den Bahnhofsbuchhandel fast im ganzen Bundesgebiet zu erhalten ist.

In diesem Zusammenhang sind auch die Bücher einzuordnen, die bei Strohhalm, Selbstverlag der Fußballfans, erschienen sind und noch erscheinen sollen. Das Fanbuch, ein 830-Seiten-Wälzer, der sich laut Klappentext als „Standardwerk“ versteht, versammelt unterschiedliche Stimmen aus dem Lager der Fußballfans zu einem Stück neuer „Betroffenenberichterstattung“. Die Beiträge beschäftigen sich mit so unterschiedlichen Themen und Aspekten wie Fans und Politik; Der Reiz des Fanlebens; Haßgesänge, Freundschaftslieder und Fansongs, dem Dauerthema Fans und Polizei bis zum Kapitel Was mache ich mit einer Freundin, die sich nicht für Fußball interessiert? Hier überzeugt vor allem die schöne Geschichte von KSC-Fan Thomas unter dem Titel: Nach einem Discobesuch war sie wieder ganz die alte.

Darüberhinaus haben die Herausgeber Stellungnahmen von den politischen Parteien zu deren Einstellung gegenüber den Problemen der Fußballfans eingeholt, sowie einen Test durchgeführt, inwieweit sich die Vereine um ihre Anhänger kümmern.

Der Reiz der Lektüre liegt aber vor allem in der Menge der ungefilterten O-Töne. Natürlich finden sich auch hier die, bereits in den Fanzines endlos wiederholten, Geschichten von den Abenteuerspielplätzen, Fankurve, Bahnhof, Autobahnraststätte und Eckkneipe. Teilweise vermitteln sie aber recht gelungen den Witz und die Absurdität mancher Situationen auf vorzugsweise mißglückten Ausflügen quer durch die Republik oder gar ins Ausland.

Beiträge über gewalttätige Auseinandersetzungen sind im Fanbuch wie auch in dem Band Europapokal, Fans berichten allerdings nicht so stark vertreten. Die Kriegsberichterstattung von Auseinandersetzungen um die Stadien sind in vielen Fanzines hingegen zum Hauptgegenstand geworden. Der Erfolg des bereits erwähnten Fan-Treff gründet sich fast ausschließlich darauf, von „geilen Hauereien“ und „Klatschereien“ zu künden.

Genauso hilflos und diffus wie der Umgang mit der Gewalt schon ist, wird es, wenn es um die politische Orientierung von Fußballfans geht. Ohne die abgestandenen Thesen von neonazistischer Unterwanderung der Fan-Szene wiederholen zu wollen, kann man trotzdem von einem kräftigen Bodensatz nationalistischer, teilweise rassistischer und sexistischer Denkweise in den Fankurven sprechen. Beispiele dafür springen den Leser in beiden Büchern immer wieder an, so bruchstückhaft und verwirrt sie auch daherkommen mögen.

Für die Abbildung der Welt der Fußballfans scheinen die vorliegenden Veröffentlichungen durchaus repräsentativ zu sein. Sie sind so erfolgreich, daß eine Reihe weiterer Bände bereits geplant ist. Darüber werden sich neben den Fans auch zwei andere Gruppen freuen: die Soziologen über weitere Materialienbände zur Subkultur Fußballfans und die Journalisten über schlagkräftige Zitate für flotte Hooligan -Artikel.

Christoph Biermann

Das Fanbuch. Hg. Rainer Raap. 830 Seiten. 39,80 DM. 1988. ISBN 3-9801874-1-1

Europapokal, Fans berichten (Bd. 1). Hgg. Peter Bode, Rainer Raap. 160 Seiten. 19,80 DM. 1989. ISBN 3-9801874-2-X

Die Welt der Fußballfans. Hg. Schalke-Fan-Club Blau-Weiß Eschenbach, 190 Seiten. 24 DM. Alle erschienen bei: Strohhalm, Hegelstr. 6, 6000 Ffm 1.