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Die WahrheitGebären mit der Grillzange

Die fatale Vollkasko-Mentalität der Bundesbürger sollte endlich überwunden werden – von der Wiege bis zur Bahre müssen Leistungen persönlicher werden.

Auch leblos noch nützlich als Kraftwerk: der Mensch Foto: dpa

Die Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Katrin Staffler (CSU), sprach sich jüngst dafür aus, künftig nicht mehr allen Pflegebedürftigen mit dem Pflegegrad 1 die Leistungen für Haushaltshilfen von aktuell 131 Euro zu zahlen. „Was aus meiner Sicht nicht hilfreich wäre“, führte die CSU-Politikerin aus, „wenn das Geld dazu verwendet wird, dass jemand anderes die Wohnung putzt, während der Pflegebedürftige, für den Aktivierung möglicherweise hilfreich wäre, nur auf der Couch hockt.“ Das berge die Gefahr, noch immobiler zu werden. Gerade Bewegung sei im Alter enorm wichtig, um den Kreislauf zu stärken und dem Muskelabbau entgegenzuwirken.

Der Vorstoß der christsozialen Politikerin weist in die richtige Richtung. Auch in vielen anderen Bereichen haben es sich die Menschen in Deutschland zu bequem gemacht. Übertriebene Sozialfürsorge verzärtelt die Bürgerinnen und Bürger und schwächt sie, statt sie zu stählen. Währenddessen werden die öffentlichen Finanzen über Gebühr belastet und Steuererleichterungen für die Leistungsträger unserer Gesellschaft rücken leider in immer weitere Ferne. Doch es gibt viele Ideen, diese fatale Vollkasko-Mentalität endlich zu überwinden.

Völlig überzogen sind zum Beispiel bereits diverse Regelungen im Mutterschutzgesetz. Im Regelfall werden Schwangere schon ab dem sechsten Monat der Schwangerschaft von der Erwerbsarbeit befreit. Aber wird damit nicht indirekt schon Föten signalisiert, dass Nichtstun in unserer Gesellschaft Normalität ist? Gerade harte körperliche Arbeit könnte den Eintritt der Geburten beschleunigen und so die unproduktiven Tragezeiten abkürzen.

Dass unser Staat für den völlig natürlichen Prozess des Gebärens überdies eine medizinische Rundumversorgung anbietet, ist ein Luxus, den wir uns auf Dauer nicht weiter werden leisten können. Eine Geburt kann auch im Familienkreis mit Hilfe einer handelsüblichen Grillzange und eines Eimers mit heißem Wasser erfolgreich durchgeführt werden. Auch ein schneller Wiedereinstieg der Mütter ins Berufsleben am Tag nach der Geburt würde verhindern, dass sich unter dem Vorwand der Kindesliebe bedenkliche Trägheit einschleicht. Das Bruttosozialprodukt wäre uns dankbar.

Ökonomisches Potenzial

Viel bislang ungenutztes ökonomisches Potenzial liegt auch in unseren Kindern und Jugendlichen. Hier sind leider in der Gesellschaft immer noch Mythen über den Wert spielerischer Unbeschwertheit im Umlauf. Nichts bereitet aber besser auf den Ernst des Lebens vor als ein möglichst früher Einstieg in produktive Tätigkeit. Unsere Kinder wollen lieber heute als morgen erwachsen werden – verwehren wir ihnen diesen Wunsch nicht.

Zwar ist die Hälfte des Tages für sie mit Schulunterricht ausgefüllt, aber der Tag hat bekanntlich zwei Hälften. Kinder können sich nachmittags in verschiedensten Bereichen nützlich machen: bei der Stadtreinigung etwa, auf dem Bau oder im Ernteeinsatz. Früher war dies in Deutschland eine Selbstverständlichkeit – es sollte wieder eine werden.

Wir müssen an dieser Stelle auch unsere westliche Arroganz ablegen. In vielen Ländern Afrikas tragen Kinder zum Familieneinkommen bei, zum Beispiel indem sie mit ihren geschickten kleinen Händen nach Bodenschätzen graben. Der geplante Wiedereinstieg in den Bergbau im Erzgebirge kann hier auch bei uns Chancen eröffnen.

Chronisch unterschätzt werden in unserer verwöhnten Wohlstandsgesellschaft auch die Fähigkeiten von Kranken. Wobei zunächst schon einmal viele, die sich als Kranke ausgeben, tatsächlich gar keine sind – wer es noch schafft, zum Arzt zu gehen, um sich krankzumelden, ist offenkundig Simulant.

Notwendige Handarbeiten

Doch auch bei jenen, die sich nicht mehr bewegen, müssen wir die Frage stellen: Können wir es weiterhin verantworten, ständig einen großen Teil unseres Volkes einfach untätig herumliegen zu lassen? Es gibt zahlreiche Handarbeiten, die sich auch im Bett erledigen lassen. Auf diese Weise würde sichergestellt, dass weder die Handgelenke noch die Hirne einrosten. Zu überprüfen wäre außerdem, inwieweit eine krankheitsbedingt erhöhte Körpertemperatur zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Dies wäre sogar bei Patienten möglich, die das Bewusstsein verloren haben und daher leider in sonstiger Hinsicht unbrauchbar sind. Kranke Menschen sind kleine Kraftwerke – wann gehen sie endlich ans Netz?

Viel zu viele Menschen entziehen sich ihrer Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands auch mit Verweis auf ihr Alter. Wie absurd ist es aber, aus der zufälligen Zahl der Lebensjahre ein Recht auf Faulheit abzuleiten! Die gegenwärtige Koalition hat so wie bereits frühere Bundesregierungen erfreulicherweise Schritte unternommen, um die Lebensarbeitszeit erheblich auszudehnen. Wir dürfen die Erfahrungen und Kenntnisse älterer Menschen nicht vergeuden!

Um sie alle zur Mitwirkung zu motivieren, wird es aber nötig sein, das Konzept eines leistungslosen Einkommens namens Rente prinzipiell zu überdenken. Leider bliebe Totalverweigerern auch dann immer noch ein Weg, sich ihren Pflichten zu entziehen: das Ableben. Doch auch hier sind Möglichkeiten denkbar, Verschwendung zu vermeiden. Auch ein lebloser Körper kann in der Düngemittelindustrie und der Viehwirtschaft noch Verwendung finden.

Es wird Zeit, dass wir alle begreifen: Jeder Mensch ist eine Ressource – sie nicht auszubeuten, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

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5 Kommentare

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  • Nicht zu vergessen...das der Mensch wertvoller Rohstoff ist...nämlich Organspender !!!



    Da bräuchte es unbedingt ein transparente Preisgestaltung.



    Natürlich würde ich dann auch gerne vorab auch schon mal abkasieren für meine Erben.

    • @HAHABerlin:

      Klar - vom Endlager zur Enlösung -



      Nur ein Schritt!

      zB - Peter Thiel Story 🥴🤢🤮🤑🤑🤑🤑🤑



      www.youtube.com/watch?v=LmcQUEq3HGM

      Na Mahlzeit

      • @Lowandorder:

        & weitergehts How they made it

        monde-diplomatique.de/artikel/!6113232



        “ UNITED STATES OF PALANTIR

        zurück



        In den USA vollzieht sich ein grundlegender Umbau des Staates. Die Hauptrolle spielen dabei Tech-Unternehmen wie Palantir und Anduril, an deren Software wichtige hoheitliche Aufgaben delegiert werden. Dieser Trend zur „Privatisierung der Souveränität“ setzt sich immer mehr auch in Europa durch.



        von Francesca Bria

        So geht das ©️ Kurt Vonnegut



        "Wir sind, was wir vorzugeben, so müssen wir vorsichtig sein, was wir vorzugeben."

        • @Lowandorder:

          Booey 🤖 geht’s noch?



          Was eine lausige Übersetzung

          “Wir sind was wir vorgeben zu sein.



          Deswegen müssen wir vorsichtig sein - was wir vorgeben zu sein.“

          Sorry - allet mußte nachlesen 🙀🤣

  • Danke & Jenau Jenau! Woll

    “Immer Feste Druff!“



    Sagte schon der olle Wrangel •