Die Wahrheit: Auf der schwarzen Buchungsliste
In Irland nennen sie sich „Traveller“. Ein Beitrag von der grünen Insel zum Tag der Sinti und Roma.
A uch Traveller brauchen manchmal Urlaub, auch wenn der Name suggeriert, dass sie ständig unterwegs sind. Traveller sind die Fahrenden Irlands, früher hießen sie „Tinker“, die lautmalende Bezeichnung für einen metallverarbeitenden Hammer. Die Traveller gehören der internationalen Sinti- und Roma-Vereinigung an, und sie sind Iren.
Am Montag ist der Internationale Tag der Roma, ein weltweiter Aktionstag, mit dem auf die Diskriminierung und Verfolgung dieser ethnischen Minderheit aufmerksam gemacht werden soll. Das hat der englische Event-Veranstalter Pontins missverstanden. Offenbar glaubt man in der Firma, der Tag sei eingerichtet worden, damit man den Vorurteilen gegenüber Randgruppen straflos freien Lauf lassen kann. Pontins konzentrierte sich aber nicht auf die Tories, eine gefährdete Kleinstparteiorganisation, sondern setzte die Traveller auf ihre schwarze Buchungsliste.
Eine Untersuchung der britischen Menschenrechtskommission, die ihr Büro bald in Ruanda hat, hat ergeben, dass das Unternehmen diese Onlinebuchungsliste mit irischen Nachnamen bestückt hat, um zu verhindern, dass sich Traveller in den Pontins-Ferienparks vergnügen. Zwar trifft das auch sesshafte Irinnen und Iren, aber denen ist ja auch nicht zu trauen, obwohl viele von ihnen genauso gerne wie Pontins diskriminieren. Zu Kneipen, Restaurants, Supermärkten oder Waschsalons haben Traveller in Irland oft keinen Zutritt. In den Schulen werden ihre Kinder in gesonderten Klassen unterrichtet. Drei Viertel der Bevölkerung würden kein Haus in der Nähe eines Rastplatzes kaufen. Diese Rastplätze sind zu Konfliktherden geworden, nicht selten werden die Wohnwagen abgefackelt, während die Polizei zusieht.
Aber manchmal schafft es jemand von den Mincéirí in die andere Welt – solange das der Unterhaltung dient. Pecker Dunne wurde der Legende nach am 1. April 1933 in einem Pferdewagen geboren. Er wurde später einer der international bekanntesten Musiker Irlands. Seine Tochter Sarah Jane Dunne hat es auch weit gebracht. Sie gewann den Schönheitswettbewerb in Kilkenny, der Grafschaft der Loser, nachdem das Hurling-Team – eine nationale irische Sportart – vier Mal hintereinander das Finale verloren hat. Die irischen Zeitungen berichteten ausführlich über das „Traveller-Mädchen“. Ein Blatt erwähnte in einem kurzen Artikel 37 Mal, dass sie aus dem fahrenden Volk stammt. Und dann schaffte Dunne ihr Lehramts-Diplom in Englisch und Religion am Dubliner Trinity College. In Englisch! Dabei ist das eine Fremdsprache für sie, die Fahrenden sprechen Shelta oder Cant. Und wieder überschlugen sich die Medien und klopften der Nation kollektiv auf die Schultern: Seht her, wir Iren diskriminieren nicht, wir lassen so eine sogar auf unsere Kinder los. Die braucht den Internationalen Tag der Roma ja gar nicht!
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