Die Wahrheit: Schweinchen Schnuffel muss weg
Abschiebung auf weiche Art: Die Bundesregierung greift endlich „im ganz großen Stil“ durch und lässt Heimzuführende sanft abtransportieren.
Mit seinem unfrommen Wunsch, „endlich im großen Stil abzuschieben“, steht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Europa alles andere als alleine da. Als leuchtendes Vorbild gelten ihm die dänischen Sozialdemokraten. Im Nachbarland wird das Asylrecht schon länger ausgehöhlt und unterlaufen, mit Ruanda verhandelte man gar über die Einrichtung dorthin ausgelagerter Asylzentren.
Abschiebung, so lautet die Frohbotschaft, kann nämlich auch progressiv sein. Was noch bis vor Kurzem im Ruch eines klassischen Arschloch-Moves stand, geht nun auch als legitimes Feature linker Volksfürsorge durch. Es braucht weder Rechtsextreme noch Konservative für eine schamlos restriktive Migrationspolitik, und mit der Übernahme von Fascho-Elementen in das eigene Parteiprogramm lassen sich durchaus Wahlen gewinnen.
Zwar ist unklar, ob das auf Deutschland übertragbar ist, da die Wählenden im Mutterland des Nationalsozialismus traditionell eher das Original bevorzugen, aber man kann es wenigstens versuchen. Doch selbstverständlich wird sich rot-grünes Abschieben völlig anders gestalten, als wir es bisher kennen. Entscheidend sind „Humanität und Ordnung“ (Katharina Schulze, Grüne). Gerade bei den Jesidinnen, die man nun vermehrt wieder abschiebt, ist man sich der eigenen Verantwortung zum Glück voll bewusst: Die traumatisierten Frauen dürfen den immensen Gefahren, die ihnen in ihrem „sicheren Herkunftsland“ drohen, nur äußerst behutsam ausgesetzt werden – Stichwort „Soft Deportation“.
So sollen unter anderem kleine Give Aways die Härten des – da sind sich Rot, Grün und Gelb immerhin einig – grausamen und vollkommen sinnlosen Vorgangs mildern. Denn wenn so eine Jesidin dann in der staubigen Vorhölle des Nordiraks mit ihrem hervorragenden deutschen Schulzeugnis in der Hand vor ihrem zerbombten Elternhaus steht, wird ihr auf einmal ein hübsch gestaltetes Heftchen ein tröstliches Schmunzeln ins verhärmte Antlitz zaubern: Mit der lustigen Fibel „Redas Rückkehr“ im Tornister, die das Bundesinnenministerium allen Abgeschobenen als kleines Erinnerungsgeschenk an ein großes Gastland mitgibt, fällt die Wiedergewöhnung an Mord, Elend und Verfolgung bestimmt um einiges leichter.
Ehrliches Bedauern
Wo unter Horst Seehofer (CSU) seinerzeit noch Hass und Hohn die gesamte Abschiebeprozedur begleiteten, als hätten die Geflüchteten dem damaligen Innenminister persönlich vors Schienbein getreten, wird hier in warmen Farben, einfacher Sprache und perfekt gegendert eine Geschichte des ehrlichen Bedauerns erzählt: Das Rosettenmeerschweinchen Schnuffel sitzt mit seiner Familie in einem Boot, als die Wanderratte Abdul herbeischwimmt und auch ins Boot will. Doch das ist leider schon voll. Schnuffel muss richtig weinen, so leid tut ihr Abdul, aber es geht nicht anders. Doch dann sieht das Meerschweinchen weit weg, am Horizont in einen Silberstreif getaucht, wie Festland erscheint. Schnuffel weist die Ratte darauf hin, damit sie dorthin schwimmen kann. Am Ende sind alle glücklich und winken einander aus der Ferne zu.
Doch das ist nur eine von zahlreichen Maßnahmen, mit denen die Ampel den Abschiebungen ihr unmenschliches Image nehmen will, das sie unter Schwarz-Rot noch besaßen. So soll mit dem zu verabschiedenden Migrationspaket der kostenlose Aufenthalt im hochkomfortablen Abschiebegewahrsam von bislang 10 auf bis zu 28 Tage verlängert werden. Die Häuser werden mit Pelletheizung, und Photovoltaik ausgestattet sein, die Gitterstäbe sind zu hundert Prozent recyclebar.
Umgewidmetes Sondervermögen
Auch eine Bio-Sauna und eine Saftbar wird es geben, sofern es gelingt, das Sondervermögen für die Bundeswehr entsprechend umzuwidmen. Psychotherapeuten bemühen sich rund um die Uhr, den Heimzuführenden geeignete Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie die Aussicht auf Verschleppung, Vergewaltigung und Rechtlosigkeit zufriedenstellend meistern lassen.
Böse Stimmen mögen hier von „Greenwashing“ faseln, doch missgünstige Schlaumeier, die es bitte erst mal besser machen sollen, gibt es leider überall. Rot-grüne Abschiebepolitik wird nach den Vorstellungen ihrer geistigen Urheber fair, klimaneutral, gleichberechtigt und divers sein. Achtsamkeit und Minderheitenschutz sind Trumpf, People of Color werden in der Transportfolge sogar bevorzugt. Die Abschiebung selbst erfolgt per Eisenbahn oder Lastenfahrrad. Das ist doppelt nachhaltig, denn es ist umweltschonend und verhindert zugleich eine baldige Rückkehr.
Wenn von „Rückkehr“ überhaupt die Rede sein kann, denn analog zur britischen Ruanda-Idee ist nun auch bei uns ein externalisiertes Asylzentrum geplant: Statt in Deutschland sollen Asylsuchende in Zukunft in Sachsen ihre Anträge stellen. Die Hoffnung der Bundesregierung dürfte dabei sein, dass sie es sich vorher vielleicht noch mal genauer überlegen.
Und das wohl allerschönste kommt zuletzt – in einem Kompromiss Finanzminister Christian Lindner (FDP) abgerungen: Sumsi von der Volksbank schenkt allen abgeschobenen Kindern unter acht Jahren ein Sparbuch mit fünf Euro Guthaben, einzulösen allerdings nur in Deutschland. Pech gehabt, aber kann man nix machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels