Die Wahrheit: Es ist einmal auf Welt Zwei …
Das absolut wahre und abgeschlossene Klimamärchen über ein Paralleluniversum im Wandel und den lukrativen Beruf der Regenschirmfachverkäufer.
Es gibt da draußen im All eine Welt, die tickt wie die unsere, nennen wir sie Welt Zwei. Die Kontinente schunkeln gemächlich hin und her, die Flüsse fließen immer ein wenig bergab, die Tiere denken ans Essen, wenn sie nicht gerade Sex im Kopf haben, und die Menschen denken an Essen oder Sex, wenn sie nicht gerade arbeiten.
Zu unserer kleinen Welt hierzulande gibt es nur einen Unterschied. Und den spürt man draußen, genauer gesagt draußen beim Wetter. Denn auch auf Welt Zwei werden Staubsauger produziert, Nashi-Birnen in kleine Mäntelchen gepackt und die Kühe rülpsen munter vor sich hin. Folge hier wie dort: Klimawandel. Allein in den Auswirkungen des Klimawandels, da unterscheiden sich unserer beider Welten. Denn während die Folgen hierzulande oft verheerend sind, sind sie dort lediglich – nervig.
Je weiter fortgeschritten der Klimawandel, desto häufiger kommt zum Beispiel der Regen in Welt Zwei denn auch direkt von vorn, egal, wie man sich dort auch drehen und wenden möge. Die Seen und Flüsse, ja mittlerweile selbst die Pfützen treten immer und stets genau dann und genau so viel über die Ufer, dass die Schuhe ganz nass werden, wenn man an ihnen vorbeigeht.
Wenn es windet, fliegen alle Regenschirme weg. Man kriegt zwar immer einen neuen herbeigeweht auf Welt Zwei, es ist aber immer ein etwas älterer, schlechterer, mit einem Loch mehr. Die ganz neuen fliegen zurück in die Geschäfte, wo man sie neu kaufen muss. Was die, ein äußert lukrativer und angesehener Beruf in Welt Zwei, selbstverständlich freut. Und selbst wenn es mal so richtig stürmt, fallen immer nur dort Bäume um, wo jemand gerade sehr dringend irgendwohin muss. Immerhin stürmt es an Sonntagen deshalb fast nie.
Hagelkörner wiederum sehen exakt so aus wie Golfbälle und fallen auch stets nur auf Golfplätzen vom Himmel. Das ärgerte auf Welt Zwei irgendwann sogar die Leute mit den besten Windschutzjacken, den dichtesten Schuhen und den gerade so ausreichend alten Regenschirmen. Selbst sie sahen ein, dass etwas getan werden musste. Und getan wurde etwas.
Zunehmender Wind
Alle Bewohner der Welt Zwei verließen ihre Golfplätze und Gesichtsföhnfabriken, die Schuhtrocknerkonzerne und all die anderen Geschäfte, die es auch bei uns gibt. Und obwohl sie dort lange gut vom Klimawandel gelebt hatten, packten irgendwann sogar die Regenschirmfachverkäufer mit an. Ihnen war klargeworden, dass durch den zunehmenden Wind nicht nur Regenschirme in ihre Geschäfte fliegen könnten.
Gemeinsam setzten sie Solarzellen auf ihre Dächer und Fahrräder auf ihre Straßen und gemeinsam bauten sie Wasserkraftwerke um ihre Seen herum. Wobei: Immer musste jemand direkt daneben vorbeigehen, damit Strom floss. Und sie pflanzten in Welt Zwei Windräder auf die Golfplätze und versprachen dann den Golfspielern, dass die Windräder flugs wieder abgebaut würden, wenn der Klimawandel besiegt sei. Gerade als die Leute sich an das Britzeln der Solarzellen und das Schwappen der Wasserkraftwerke gewöhnt hatten, da kam der Regen auf Welt Zwei plötzlich von hinten. Doch die dortigen Einwohner fanden ihre Felder mit Windrädern mittlerweile viel schöner, und weil alle Sportveranstaltungen um Seen herum stattfanden und ihren eigenen Strom produzierten, war das neue Leben auch schlicht schöner.
Da ließen die Menschen es so, wie es eben geworden war. Und bis heute sind die Regenschirmfachverkäufer auf Welt Zwei nicht in ihre Geschäfte zurückgekehrt. Auch die Golfplätze sind weiterhin geschlossen, und selbst der Erzähler muss abschließend feststellen, dass sich die andere Welt wohl doch in mehr als einer Sache von der unseren unterscheidet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“