Die Wahrheit: Kein Hallenhalma mit Uwe
Von Till zu Tellkamp: Nach Rammstein sorgt jetzt ein Dresdner Dichter für den nächsten Sexskandal. Seine weiblichen Fans sind entsetzt.
Alles scheint wie gewöhnlich im Kulturhaus Lustwitz am rechten Elbhang der Stadt Dresden. Im schicken Veranstaltungssaal liest Uwe Tellkamp zum sechzehnten Mal aus seinem aktuellen literarischen Projekt: dem auf 2.000 Seiten angelegten Doppelroman mit den Titeln „Der Schlaf in den Füßen“ und „Der Sand in den Augen“.
Wie bei allen seinen Lesungen hier im bürgerlichen Dresdner Villenviertel sind die Stuhlreihen restlos besetzt. Vor der Lesung gab es jedoch einiges Gemurmel im Publikum, das vornehmlich aus älteren Damen und Herren besteht. Uwe Tellkamp, der erfolgreiche, aber auch umstrittene Autor, hat gerade einmal wieder mit einer öffentlichen Äußerung für Aufsehen gesorgt. Anlässlich des Skandals um die mutmaßliche sexuelle Ausbeutung von jungen Frauen durch den Dichter und Sänger Till Lindemann erklärte Tellkamp: „Ich werde nach wie vor Rammstein hören, ich bin großer Fan. Ich mag Till Lindemanns Lyrik.“
In der Literaturszene machen inzwischen Gerüchte die Runde, auch nach den Lesungen von Uwe Tellkamp werde kein Hallenhalma gespielt. Dass der „schöne Uwe“ insbesondere bei sächsischen Seniorinnen nicht nur literarisches Interesse weckt, gilt als offenes Geheimnis. Eine besondere Rolle wird Sabine Garten zugeschrieben: Die Buchhändlerin und Verlegerin besitzt das Kulturhaus Lustwitz und gilt als engste Vertraute des Schriftstellers Tellkamp. Insider wollen wissen, dass sie ihren Freund nicht nur zum Schreiben ermutigt, sondern ihm immer wieder auch jene erotische Erleichterung ermöglicht, die der stadtbekannte Choleriker dringend braucht.
Kandidatinnen für den Meinungskorridor
Bei den Lesungen spreche sie regelmäßig geeignete Kandidatinnen an. Durch einen langen, engen Gang, der unter den Kennern des Kulturhauses nur „der Meinungskorridor“ heiße, führe sie die interessierten Frauen dann in einen kleinen Kellerraum, in dem Uwe Tellkamp nach dem Ende seiner Lesungen Meißner Qualitätswein zu trinken pflege. Was dort vorgeht, blieb bislang jedoch verborgen.
Doch an diesem Abend wollen wir das Geheimnis lüften. In der „Reihe Null“ ganz vorn vor dem Lesetisch sitzen wie immer ausschließlich ältere Damen, deren Haare einen leichten Stich ins Bläuliche aufweisen. Auch diesmal äugt Sabine Garten aufmerksam im Saal umher und macht sich Notizen. In der Pause der Veranstaltung spricht sie erste Zielobjekte freundlich an. Was sie nicht weiß: Eine journalistische Kollegin hat sich dieses Mal inkognito in die „Reihe Null“ geschmuggelt, will sich dem Dichter zuführen lassen und uns nachher von ihren Erfahrungen berichten.
Unsere Mission ist nicht ungefährlich und nicht leicht. Es fällt schwer, aufmerksam zu bleiben, während Tellkamp in unnachahmlichem Stil seine Sprachkunst zelebriert: „Über die Flözinsel hinter dem An-dromeda-Kanal brauste Ostwind, während auf der Jolle mit dem Namen Stalingrad der ehemalige Kulturminister Erich Rabimmelrabammelrabumm sein Körpergewicht in Luv nach außen verlagerte und an jenen legendären Auftritt des amerikanischen Sängers Joe Cocker in der Elbestadt Dresden dachte, den er trotz der Beobachtung durch die Stasi nicht verpasst hatte und in dessen Folge der mutige sächsische Volksmund die Wiese des Geschehens …“
Einschleusung einer Journalistin
Wir überstehen die Lesung einigermaßen unbeschadet, verlassen das Haus und warten ungeduldig auf unsere Kollegin. Sie erscheint kreidebleich und zittert leicht. Erst in einiger Entfernung vom Ort des Grauens gewinnt sie ihre Stimme zurück und berichtet uns, was ihr widerfahren ist: „Die Lesung hatte mich in eine seltsame Trance versetzt, ich fühlte mich unsagbar müde. In diesem Zustand hat Frau Garten mich und drei weitere Frauen eingeladen, mit dem Dichter noch ein Glas Rotkäppchen halbtrocken zu trinken und über die Vorzüge des Daktylus gegenüber dem Trochäus zu sprechen. Sie hat uns durch einen Gang hinab in den Keller geführt, auf einer schwarzen Couch mussten wir dann auf Herrn Tellkamp warten.
Unsere Telefone hat Frau Garten eingesammelt. Sie sagte, Herr Tellkamp habe Vorbehalte gegen das 5G-Netz. Nach einer Viertelstunde kam er dazu und begrüßte uns sehr charmant. Dann aber bekam er einen Wutanfall, als er ein Exemplar der Süddeutschen Zeitung auf einem Tischchen entdeckte. Er versuchte, sie zu zerreißen, aber das Papier war zu dick.
Dann zeigte er plötzlich mit dem Finger auf mich, ich folgte ihm allein in einen Nebenraum. Es war so dunkel, dass ich zunächst nichts erkennen konnte. Mit der Zeit gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich entdeckte an einer Wand eine schwarz-rot-goldene Fahne, die aber verkehrt herum aufgehängt war. Auf der anderen Seite war an der Wand ein mannshohes Kreuz befestigt, oben trug es die Inschrift ‚OSSI‘.
‚Mach mich mundtot! Bitte!‘, flehte mich Tellkamp plötzlich an und deutete auf einen Knebel. Ich stopfte ihm den Mund, wie er es sich wünschte. Dann machte er sich selbst mit Lederriemen an dem Kreuz fest und deutete mit dem Kopf auf einen Haufen weiterer Utensilien. Ich sah eine Maske mit den Gesichtszügen von Angela Merkel und eine dreischwänzige Peitsche. Herr Tellkamp klang sehr erregt und befahl mir mit seinen Augen, ihn jetzt zu geißeln. Da wurde es mir zu viel. Ich verließ den Raum, rannte durch den Korridor und entdeckte einen Ausgang. Glücklicherweise hatte er sich selbst gefesselt und konnte mir deshalb nicht so schnell folgen.“
Wir haben Uwe Tellkamp und Sabine Garten mit dieser Geschichte konfrontiert, als Antwort aber nur zwei Schreiben des Rechtsanwalts Ralf Höcker erhalten, der mit rechtlichen Schritten für den Fall droht, dass wir über die einvernehmlichen, privaten Kontakte von Uwe Tellkamp zu seinen Fans berichten. Doch diesem Druck werden wir uns nicht beugen, zu wichtig ist die Aufklärung über Machtmissbrauch auch im Reich der Poesie. Nicht umsonst ist unser Motto: Mut zur Wahrheit!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“