Die Wahrheit: Ein Onkel für Dr. Heilmann
Die besten Ärzte der Welt können nicht helfen, wenn sie sich in Parallelwelten aufhalten, und gegen TV-Macht hilft nicht mal Dunkle Energie.
Als Raimund und ich das Café Gum betraten, stellte Petris gerade eine neue Runde Bier auf die Theke. Luis nahm einen tiefen Zug. „Dabei hat der Mann früher richtig was in der Birne gehabt“, seufzte er: „Er war Straßenbauingenieur – ich weiß nicht, wie viele Brücken er in seinem Leben konstruiert hat.“ – „Vielleicht erklärt das den Zustand der deutschen Autobahnbrücken“, grinste Theo. „Sehr komisch“, sagte Luis säuerlich.
Raimund guckte sie fragend an. „Es geht um Burkhard“, erklärte Theo: „Er will sich nur von Dr. Heilmann operieren lassen.“ Burkhard war Luis’ Vater und litt seit Monaten an einem eingewachsenen Zehennagel. Der Große Onkel plagte ihn so sehr, dass er sich nur noch mithilfe eines alten Bürostuhls fortbewegen konnte, auf dem er im Haus herumrollerte oder gelegentlich durch den Park geschoben wurde.
„Dr. Heilmann?“ Wir hatten noch nie von ihm gehört. „Laut Burkhard sind er und sein Team die besten Ärzte der Welt“, sagte Luis: „Sie vollbringen wahre Wundertaten in der Sachsenklinik in Leipzig.“ – „Dann bring ihn halt nach Leipzig“, sagte Raimund. – „Gerne“, sagte Luis, „leider befindet sich dieses Leipzig nicht in der wirklichen Wirklichkeit. Sondern in einer Fernsehserie.“
„Fernsehen macht halt blöd“, brummte Theo: „‚Die besten Ärzte der Welt‘, ich lach mich tot!“ – „Vorsicht!“, mahnte Raimund: „Wer weiß schon, ob Heilmann & Co in irgendeinem Paralleluniversum nicht tatsächlich Wunder der Heilkunst vollbringen?“ – „Spinnst du jetzt auch?!“ Theo wurde noch brummiger. – „Keineswegs“, erwiderte Raimund: „Die Koryphäen der Astrophysik sind mehrheitlich längst der Meinung, dass es nicht nur eine Wirklichkeit gibt, sondern ein Nebeneinander unendlich vieler Paralleluniversen. Kann sogar sein, dass wir nur Hologramme auf der Außenhülle des Weltalls sind.“
„Tss … und woher hast du das? Auch aus dem Fernsehen?!“ Raimund nickte. „Lief auf Arte.“ – „Ich sag’s doch!“, rief Theo: „Das hört sich genauso wahrscheinlich an wie die dümmsten Verschwörungstheorien.“ – „Mit dem Unterschied, dass man es beweisen kann“, sagte Raimund. „Ich hab nur nicht verstanden, wie. Es lässt sich irgendwie ausrechnen. Ziemlich kompliziert.“ – „Hm.“ – „Und es hat mit Dunkler Energie zu tun.“ – „Mit Dunkler Energie …“ – „Ja, sie füllt den ganzen Raum um uns aus und treibt die Himmelskörper voneinander weg, eines Tages vielleicht sogar die Atome, und dann fliegt alles auseinander …“ – „Alles?“ – „Alles. Und jeder. Wie die Luftballons: Piff!“
„Piff …“, sagte Theo konsterniert. Raimund nickte. Dann zog er seinen Hosengürtel ein Loch enger, als hoffe er, damit die Dunkle Energie aufzuhalten, und Luis rief seinen Vater an und bat ihn, bei nächster Gelegenheit mal nachzufragen, ob in der geschlossenen Psychiatrie der Sachsenklinik nicht noch ein Bett für einen besonders wunderlichen Patienten frei sei.
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