Die Wahrheit: Im Wirbel der Zahlen
Kopfrechnen für Trunkenbolde: Mathematische Phänomene von Tibet bis Covid. Mit anspruchsvollen Rechenaufgaben.
Wie jedes Kind weiß, helfen schon fünf Glas Rotwein die Woche gegen Covid-19. Doch es gibt kompliziertere Aufgaben im Leben mit dem Alkohol.
So forderte Dr. Heis in seinem „Rechenbuch für Schüler der Gymnasien, Realschulen, Oberrealschulen und Gewerbeschulen“ (Köln, 1894) seine Eleven mit folgender Aufgabe heraus: „Bacchus fand den Silen neben einem vollen Weinfasse schlafend. (Silen war ein berühmter mythologischer griechischer Trunkenbold, der Erzieher des Dionysos.) Bacchus benutzte die Gelegenheit und trank während zwei Drittel der Zeit, welche Silen gebraucht hätte, um das ganze Fass zu leeren. Nachdem Silen erwacht war, trank er den von Bacchus übrig gelassenen Rest. Hätten beide zugleich angefangen zu trinken, so wären sie in zwei Stunden fertig geworden. Bacchus hätte aber alsdann nur halb so viel getrunken, als er vorher dem Silen übrig gelassen hatte. In welcher Zeit hätte jeder allein das Fass geleert?“
Wer weiß die Antwort? Will denn keiner aufzeigen? Vielleicht der Schüler mit der roten Nase in der ersten Reihe?
Jedenfalls eine anspruchsvolle, filigrane Aufgabe, die sich heute unsere Lehrer mit Mathehintergrund wohl kaum zu stellen wagten. Auch vor der folgenden Bandwurmaufgabe würden sie wohl zurückschrecken. In einem Dankschreiben an den Naturheilkundler Bilz berichtet ein zufriedener Kunde: „Den ersten Tag habe ich nur Hering und Weizenschrotbrot genossen. Am zweiten Tag habe ich für 10 Kreuzer Preiselbeeren genossen. 2 Stunden später für 10 Kreuzer Rizinusöl eingenommen. Nachmittag 2 Uhr war ich von der 8 Meter langen breiten Bestie samt Kopf erlöst.“
Rechnung mit Bandwurm
Wie lang wäre der Bandwurm gewesen, wenn der Kunde am zweiten Tage für 20 Kreuzer Rizinusöl genommen hätte?
Manche Mathematiker scheitern als Lehrer und stranden als Journalisten. Ob das der Grund ist für all die schönen mathematischen Überschriften? „Fünf Männer raubten neun Hundebabys“ (Tagesspiegel). Die stille Frage dazu: Wie viele Welpen hätten neun Männer geraubt?
Auch „Siebenmal wirbelte der Mann meinen tibetanischen Tempelhund an der Halsbandleine um seinen Kopf“ lässt uns nachdenklich mindestens einmal den Kopf schütteln. Noch mehr schüttelt uns die dpa-Meldung „Deutscher schmuggelt 44 Geckos in Unterhose“. Er wurde dafür zu 14 Wochen Haft verurteilt. Eine lange Haft für eine schöne Überschrift.
„Drei Jahre zuvor hatte die iranische Regierung vermeldet, 14 trainierte Streifenhörnchen unschädlich gemacht zu haben“, lautete ein Textfragment im Tagesspiegel. Die Aufgabe dazu: Wenn 14 dreijährige Streifenhörnchen zu den 14 Geckos in die Unterhose gesteckt würden, wie lange müsste der 58-jährige Deutsche in Haft?
Und immer wieder wirbelt die Sieben durch den Blätterwald: „Eltern setzten siebenjährigen Sohn zur Strafe im Wald aus“ (dpa). Fünf Minuten später seien sie zurückgekehrt, aber da war der Siebenjährige schon weg. Von sieben Fünfjährigen wäre wohl auch keiner mehr da.
Rechnung mit Leergutdieb
Eine „Flucht mit 13 Kisten“ misslang einem Leergutdieb, meldet die dpa. Er hatte die 40-Euro-Beute um seinen Leib gewickelt. Leider soll ein Tibetanischer Tempelhund mit in den Diebstahl verwickelt gewesen sein, so musste der Raub ja schiefgehen.
Hätte der Dieb doch einen Siebenpunkt mitgenommen, das ist ein Käfer, der als Glücksbringer gilt. Ganz im Gegensatz zum vierpunktigen Sackkäfer, der Pech bringen soll. Zumindest in China, wo die Zahl 4 als Unglückszahl gilt. Deshalb verkaufte sich das Buch „Unter vier Augen – Die hohe Schule der Gattenliebe“ dort gar nicht, bei uns galt es seinerzeit als Renner.
Ein Renner war auch eine Karikaturenausstellung, in der laut FAZ „101 Arbeiten von 45 Karikaturisten“ zu sehen waren, die mathematische Phänomene mit „spitzer Feder durch den Kakao ziehen“.
Zum Schluss noch eine anspruchsvolle Rechenaufgabe: Kannst du Bacchus unter 4 Augen 44 Geckos in die Unterhose stecken, wenn er 13 Leergutkisten leer getrunken hat? Wie viel Fässer Wein kann er noch trinken, ohne 14 Streifenhörnchen zu sehen?
Wer die Aufgabe lösen kann, darf seinen Tibetanischen Tempelhund siebenmal um seinen Kopf wirbeln!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers