Die Wahrheit: Wir sind schon mal gespannt

Tagewählerei: Ob es sich bei diesem Gewerbe eigentlich um Glauben oder Aberglauben handelt, ist zweifelsohne nicht geklärt.

Das steinzeitliche Stonehenge in England bei Sonnenuntergang

Steinzeitliches Stonehenge in voller Schönheit am einzigen damals existierenden Tag Smork Foto: Stefan Boness / Ipon

„Kriege in Europa beginnen selten an einem Mittwoch“, stellte der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow fest, als die CIA einen Kriegsbeginn an einem Mittwoch prognostizierte. „Ich kann Ihnen versichern, dass es an diesem Mittwoch keinen Angriff geben wird“, fuhr er fort. Und richtig, der Überfall auf die Ukraine fand dann auch eine Woche später an einem Donnerstag statt.

Die süffisanten Worte des Botschafters weisen ihn als einen ausgefuchsten Tagewähler aus. Tagewählerei? Das ist der Glaube an ausgewiesene Glücks- oder Unglückstage. So etwas kannte man in der Steinzeit noch nicht, denn damals gab es nur einen einzigen Tag (Smork) und jeder lebte ein Leben lang in diesen Tag hinein. Wie Zeitgenossen berichteten, war das die schönste Zeit überhaupt. Das fand sein Ende, als der zweite Tag (Murk) erfunden wurde. Die Steinzeitler wurden hektischer und gaben schließlich noch einen dritten Tag dazu (Schnurk). Da man auf drei Beinen schlecht stehen kann, kam dann der vierte Tag (Kazurk) dazu. Der fünfte sollte bald folgen und hieß Fünffingertag. Es folgte „Knork“, der „Tag, an dem wir Fußball spielen“. Der folgende siebte Tag überforderte natürlich die schlichte Steinzeitgemeinde, alle taten gar nichts mehr, es wurde verdaut und meditiert. Darum hieß dieser Tag Rumplum. Und just an diesem Tag entstand beim Verdauen und Meditieren die Idee der Tagewählerei.

Diese uralte Idee fand dann später bei den wählerischen Griechen Verbreitung und wurde von den Römern gerne übernommen. So galten bei ihnen die auf die Iden folgenden Tage als Unglückstage, die Iden selbst als glücksbringend. Kein Wunder, dass die Verschwörer gegen Cäsar als Stichtag die Iden des März wählten. Cäsar hätte mit einem Attentat wohl eher am 7. Mai, am 8. Juli oder am 8. November gerechnet, denn das waren die Tage, die bei den Römern als die drei großen Unglückstage galten, aber bei Glück und Unglück kommt es immer auf die Sichtweise an.

7. Mai ist stets Weltfischbrötchentag

Bei genauerer Überprüfung können die drei großen Pechtage der Römer aus unserer Sicht die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Der 7. Mai brachte es bislang nur zum Weltfischbrötchentag in Schleswig-Holstein. Der 8. Juli war immerhin der Geburtstag des „ewigen Präsidenten“ Nordkoreas, Kim Il Sung, und am 8. November 2016 wurde die Unglücksgeißel Trump zum Präsidenten gewählt. Insgesamt eine etwas magere Ausbeute für sogenannte Spitzenunglückstage in den digitalen Annalen unserer Zeit. In diesem Jahr blüht uns am 8. November immerhin eine totale Mondfinsternis mit einem spektakulären Blutmond. Wir sind gespannt.

In Schottland galt lange Zeit der gesamte Mai als Unglücksmonat für Eheschließungen, warum, weiß vermutlich nur der taz-Irland-Korrespondent Ralf Sotscheck. Bei den abergläubischen Germanen galten die Tage, die Wotan und Donar gewidmet waren, als Glückstage, nämlich Mittwoch und Donnerstag. Der Germane hätte also gerne den Mittwoch ins Auge gefasst, wenn er einen Krieg vom Zaun brechen wollte.

Obwohl er den Tag natürlich nicht Mittwoch, sondern Wotanstag genannt hätte. Dienstag und Freitag galten bei den Germanen und Germaninnen als Unglückstage und bis in die heutige Zeit gilt der Freitag als der Tag, an dem man nichts Wichtiges beginnen sollte, außer Demos for Future natürlich. Profis fahren immer erst Samstag in den Urlaub.

Luther und die Tagewählerei

Neben den Russen und Finnen gelten die Inder, Chinesen und Japaner als besondere Freunde der Tagewählerei. Das stellte 1878 Meyers Konversationslexikon fest und das scheint immer noch zu stimmen, zumindest, was die Russen betrifft. Der Begriff der Tagewählerei taucht zum ersten Mal an einem Dienstag in der Bibelübersetzung bei Martin Luther auf. Dieser wurde übrigens an einem Samstag geboren. Ebenfalls an einem Samstag erklärte das Deutsche Reich 1914 dem zaristischen Russland den Krieg. Das den Ersten Weltkrieg auslösende Attentat von Sarajevo passierte an einem Sonntag und das herbeigesehnte Kriegsende war an einem Montag.

Und imagine, das Attentat auf John Lennon passierte ebenfalls an einem Montag. Nach meinen Berechnungen ist Jesus im Jahre null an einem Freitag geboren und der Kreis schloss sich für ihn vorübergehend am ersten Karfreitag. Der glücklichste Donnerstag für uns Deutsche war wohl der Tag, als die Mauer fiel, doch fast noch glücklicher ist für uns der Sonntag. Denn an einem Sonntag wurden wir Sonntagskinder der Vorsehung dreimal Fußballweltmeister, nämlich 1954, 1990 und 2014.

Auf welchen Tag jedoch das ersehnte Kriegsende in der Ukraine fällt, sagte Botschafter Tschischow übrigens nicht. Mir wäre da jeder recht!

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